Claus Lochbihler und Juan Martin Koch
Eine Vorschau
Die Sommerzeit hat sich auch im Jazz zur Festivalzeit entwickelt. Nachdem Ende Juni „Jazz an der Donau“ in Vilshofen mit einem gewohnt hochkarätigen Programm aufwartete, steht den Regensburgern und den sicher wieder zahlreich „zuagroasten“ Jazzfans der alljährliche Höhepunkt der hiesigen Szene ins Haus: Schon zum siebzehnten Mal findet heuer das „Bayerische Jazzweekend“ statt (10.–12. Juli). Zwar präsentiert sich das Plakat in neuem Design (für das eigens ein Wettbewerb ausgeschrieben war), am Konzept selbst hat sich aber – glücklicherweise – nichts geändert. Denn was 1982 zur „Belebung der Altstadt“, wie es damals hieß, beitragen sollte, ist heute eine feste Institution, die gerade davon lebt, daß nicht eine Handvoll illustre Profi-Bands für teures Geld eingekauft werden, sondern die ganze Altstadt zu einem riesigen Forum gerade für den begabten Nachwuchs oder engagierte Liebhaberensembles wird. Über achtzig sind es diesmal, was durch eine Erweiterung der Spielstätten – etwa das Schloßcafé und das Runtinger-Haus – möglich wurde. Und auch was die Herkunft der Bands betrifft, so hat sich der Einzugsbereich längst weit über Bayern hinaus vergrößert. Hier einige Tips durch die Regensburger Brille:
Wer zwei Höhepunkte der Jazzclub-Konzerte aus vergangenen Monaten verpaßt hat oder die gewonnenen Eindrücke auffrischen möchte, sollte sich die (provisorischen) Termine vom Jermaine Landsberger Trio und von Different Generations vormerken. Landsberger, der Shooting-Star unter den hiesigen Pianisten, hat bei seinem letzten Konzert eindrucksvoll bewiesen, daß er im wahrsten Sinne des Wortes „spielend“ mit internationalen Größen – im März war es der Ausnahmegitarrist Bireli Lagrene – mithalten kann. Der Saxophonist Jouli Smirnov, der am Weekend auch mit seinem Quartett zu hören sein wird, hat mit Different Generations erneut eine Spitzenformation zusammengestellt. Die ausgeklügelten Arrangements leben davon, daß neben Smirnov und dem Trompeter Andy Scheffel auch Gerhard Kraus’ Gitarre als Melodieinstrument einbezogen ist. Kaum eines Kommentars bedürfen der Auftritt der beiden Helmuts (Kagerer und Nieberle), einem Gitarrenduo von Weltniveau und derjenige zweier Urgesteine der Regensburger Szene: Axel Prasuhn (Saxophon, Gesang) und Richard Wiedamann am Klavier. Das vorläufige Programm ist als Faltblatt schon zu haben, das ausführliche mit Kommentaren zu allen Bands gibt es wie gewohnt am Weekend selbst.
Gleichzeitig dreht sich das bayerische Jazz- und Festival-Karussell auf gehobenem Preisniveau mit dem „Münchner Klaviersommer“ (10.–26. Juli) weiter. Aus dem sehr umfang- und „event“-reichen Programm stechen vor allem zwei unabgedroschene Konzerte ins Auge: Am 19. Juli ist mit Tom Harrell ein Trompeter und Flügelhornist zu hören, der seit Jahren ein hervorragendes Album nach dem anderen vorlegt, so etwa eine der wenigen wirklich Baker-esken Hommagen an den verstorbenen Chet Baker. Motto des Abends mit Tom Harrell im „Night Club“ des Bayerischen Hofs: „Brazil“. Wer dazu extra nach München fährt, sollte gleich bleiben, um zwei Tage später am selben Ort zur selben Zeit ein Konzertereignis der Extraklasse zu erleben: Altsaxophon-Altmeister Lee Konitz zusammen mit zwei Musikern, die wie er immer auch dies- und jenseits der Schwelle zum coolen Free-Idiom gespielt haben: Paul Bley (Piano) und Charlie Haden (Bass).
Wer jedoch seinen Jazz lieber in der heimischen Club-Atmosphäre des Leeren Beutel ohne jeglichen Festival-Streß einzunehmen pflegt, den erwarten nach der Sommerpause erst wieder im Oktober und November einige Highlights, die wir im nächsten Heft vorstellen werden.