Stephan Beierl
In diesem Jahr kann das größte studentische Musikensemble in Regensburg auf sein 25jähriges Bestehen zurückblicken. Zwar ist unter den Sängern des Universitätschores kein Gründungsmitglied mehr, jedoch wurde der freudige Anlaß im Februar dieses Jahres gebührend bei einem Festkonzert mit Händels Messiah gefeiert.
Der Chor ging im Wintersemester 1972/73 aus dem Chor der pädagogischen Hochschule hervor und war anfangs vor allem für Musikstudenten gedacht. Unter der Leitung von Prof. Rudolf Schindler begeisterten sich jedoch immer mehr fachfremde Studenten für den „Kammerchor der Universität Regensburg“, so daß dem evangelischen Kirchenmusikdirektor Christian Kroll bei seiner Übernahme 1983 eine gute Basis zur erfolgreichen Weiterarbeit zur Verfügung stand. Auf mehreren Konzertreisen auch ins Ausland machte sich der Chor einen Namen im Bereich der a-capella-Musik. Daneben wurden aber auch kleinere Chorwerke und sogar eine Oper (Purcells Dido and Aeneas) einstudiert.
Ein weiterer Schritt zum großen Oratorienchor, zu dem sich der Unichor heute gemausert hat, war eine große Werbeaktion für interessierte Sänger im Wintersemester 1988/89. Durch Verdoppelung der Mitgliederzahl und die Bereitstellung größerer finanzieller Mittel von seiten der Universität konnten Großprojekte wie Haydns Jahreszeiten oder Beethovens Missa solemnis verwirklicht werden. Zudem wirkte man im Regensburger Frühling bei einer von Sir Colin Davis dirigierten Aufführung von Orffs Carmina Burana mit.
Neben Konzertreisen u. a. nach Südtirol kam es auch zu einer äußerst fruchtbaren Zusammenarbeit mit dem Regensburger Philharmonischen Orchester, wo unter Tilo Fuchs und Hilary Griffiths Beethovens Neunte oder Brittens War Requiem aufgeführt wurden.
Ein Höhepunkt der letzten Jahre war sicherlich die zweimalige Open-Air-Aufführung von Händels sehr selten zu hörendem Oratorium Samson im Thon-Dittmer-Palais im August 1996. Auch die Aufführung von Verdis Messa da Requiem bescherte dem Unichor 1997 stehende Ovationen. In diesem Sommer schließlich konnte man mit Orffs Catulli Carmina und Mahlers Auferstehungssinfonie glänzen.
Durch eine attraktive Programmauswahl und ein angenehmes Probenklima wächst die Mitgliederzahl im Unichor stetig. Die momentan 130 Mitglieder treffen sich ein- bis zweimal pro Woche zu Stimm- und Gesamtproben. Ein großes Gemeinschaftsgefühl schaffen die teils anstrengenden Probenwochenenden, die u. a. im Kloster Windberg stattfinden.
Was uns in Zukunft vom Regensburger Unichor erwartet, und was sein Leiter Christian Kroll über „seinen“ Chor denkt, verrät er uns im folgenden Interview.
M.M.: Der Universitätschor ist ein Ensemble, das fast in jedem Konzert – bedingt durch Studienanfänger und -abgänger – in einer anderen Zusammensetzung singt. Welche Konsequenzen hat dies für Ihre Arbeit mit dem Chor?
Kroll: Es ist natürlich zum Teil nicht einfach, mit einem solchen Ensemble zu arbeiten. Es gibt Studenten, die kaum Chorerfahrung aufweisen und in kurzer Zeit mit Werken konfrontiert werden, die vom Schwierigkeitsgrad her alles überschreiten, was sie bisher gesungen haben. In solchen Fällen sind die Probenwochenenden sehr hilfreich. Zudem haben wir an solchen Wochenenden oft professionelle Sänger und Stimmbildner zur Verfügung. Allerdings darf man die jugendliche Kraft der Stimmen und die enorme Begeisterung der Sänger nicht außer acht lassen, die vieles wieder wettmachen.
M.M.: Ist es bei einer solch hohen Fluktuation an Sängern – gerade im Gegensatz zu einem Chor mit relativ festem Stamm wie der Regensburger Kantorei – überhaupt möglich, persönliche Kontakte herzustellen und ein gutes Gemeinschaftsgefühl aufzubauen?
Kroll: Und ob! Es gibt zum einen durchaus einen gewissen Stamm an Sängern, die während ihrer ganzen Studienzeit mitsingen. Zum anderen habe ich schon oft festgestellt, daß gerade der Unichor ein sehr selbstbewußtes Ensemble ist, das seine Identität auch wahren will. Deshalb war es beispielsweise wichtig, daß neben Mahlers Auferstehungssinfonie, die der Chor zusammen mit der Kantorei aufführte, jeder Chor auch sein eigenes Konzert hatte.
M.M.: Ein Außenstehender fragt sich vielleicht, weshalb der Unichor eigentlich nie zusammen mit dem Universitätsorchester zu hören war. Was halten Sie von gemeinsamen Projekten?
Kroll: 1985 gab es das bisher einzige Konzert, das die beiden Ensembles miteinander bestritten haben. Durch einen guten Draht zum damaligen Leiter Christian Pyrrh führten wir gemeinsam Beethovens Chorfantasie und Brahms’ Nänie auf. Durch die Tatsache, daß der Unichor in den letzten Jahren zu einem Oratorienchor geworden ist, denke ich aber, daß eine Zusammenarbeit mit dem Uniorchester schwer machbar wäre. Für das Orchester wäre es bestimmt nicht sehr interessant, ein Semester lang ein ganzes Oratorium einzustudieren. Zumal liege ich mit Herrn Buckland, dem Dirigenten, nicht ganz auf einer musikalischen Linie, da er lieber ein großes Repertoire einstudiert und ich lieber nur ein Stück pro Semester mache, und das dafür genauer erarbeite. Sinnvoll wäre es allerdings, mit dem Unichor im Rahmen eines Orchesterkonzertes an einem Stück mitzuwirken, zumal eine Zusammenarbeit von vielen Studierenden gewünscht wird und es auch einige Jugendliche gibt, die in beiden Ensembles mitwirken.
M.M.: Welche Aufgaben werden speziell von seiten der Universität an den Chor herangetragen?
Kroll: Durch meine kirchenmusikalische Tätigkeit bot es sich natürlich an, den Chor an Universitätsgottesdiensten mitwirken zu lassen. Seit einiger Zeit umrahmen wir auch den Dies academicus der Universität und wirken beim Uni-Sommerfest mit, was immer ein Riesenerfolg war. Auch Weihnachtssingen gab es in der Vergangenheit schon. Allerdings ist die Situation an der hiesigen Universität etwas schwierig. Während viele andere Städte einen Universitätsmusikdirektor haben, sind die Aufgaben in Regensburg eher verteilt, so daß ich für die Leitung des Unichores nur einen Lehrauftrag habe. Die Zeit, die ich mit dem Chor arbeite, übersteigt die sowieso nicht sehr gut bezahlten Stunden um ein Fünffaches, aber der Spaß, den ich mit den Studenten habe, macht das wieder wett.
M.M.: Ab der nächsten Spielzeit hat Regensburg einen neuen Generalmusikdirektor. Wird sich die fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Stadttheater auch unter der neuen Leitung fortsetzen?
Kroll: Für uns ist diese Zusammenarbeit sehr wichtig. Beispielsweise wird das Philharmonische Orchester uns im Februar bei Mendelssohns Paulus und auch im Sommersemester wieder begleiten.
M.M.: Womit wir auch schon bei den Zukunftsplänen sind: Was erwartet uns in der nächsten Zeit von seiten des Universitätschores?
Kroll: Im Juni sind wir auf einer Konzertreise in Israel. Mit dem Haifa-Sinfonieorchester bestreiten wir fünf Konzerte mit Haydns Nelson-Messe und Kodálys Psalmus hungaricus. Beim Haidplatzfestival werden wir Beethovens 9. Sinfonie darbieten. Für das Konzert zum Jahrtausendwechsel plane ich schon seit 1995; wir werden im Audimax Beethovens monumentale Missa solemnis aufführen. Das Jahr 2000 wird natürlich im Zeichen von Johann Sebastian Bach stehen. Und auch bei Händels Oratorien gibt es viele Stücke, die ich noch gerne machen würde, z. B. Israel in Ägypten.
M.M.: Ich danke Ihnen für dieses Gespräch.