Juan Martin Koch
Matthias Nagels Geschichte des Philharmonischen Orchesters Regensburg
Matthias Nagel: Thema & Variationen. Das Philharmonische Orchester Regensburg und seine Geschichte, Regensburg: Verlag Friedrich Pustet 2001, 312 S., € 24,90
„§ 34 – Das Tempo jedes Musikstückes wählt der Musikdirektor nach seiner besten Einsicht. Doch ist es ihm Pflicht, begründete Einwendungen des Direktors sowohl, als auch der Sänger und Sängerinnen anzuhören, und nach geschehener Prüfung zu befolgen. Der Musikdirektor ist verpflichtet, das einmal festgesetzte Tempo sowohl bei Proben als auch bei Vorstellungen strenge beizubehalten.“
Es sind nicht nur Dokumente wie dieser (den Siegeszug des Mälzelschen Metronoms beinahe vorausahnende) Auszug aus den Theatergesetzen von 1806, die Matthias Nagels Gang durch die Geschichte des Philharmonischen Orchesters Regensburg so lesenswert machen. Die auf jeder Seite zu spürende Nähe und Liebe zum Gegenstand kommt als willkommenes Ingredienz hinzu, und jeder der den Stimmführer der Kontrabässe je bei einem Konzert „seines“ Orchesters beobachtet hat, weiß, was damit gemeint ist. Aus dieser Perspektive erklärt sich auch eine Konstante in Nagels materialreicher und überdies schön präsentierter Darstellung: Die über weite Strecken ernüchternde Schilderung der Arbeitsbedingungen der Musiker, die über ein Jahrhundert lang in die sommerliche Arbeitslosigkeit geschickt wurden, sobald das Theater seinen Spielbetrieb einstellte, und die in Minimalbesetzungen anspruchsvolles Repertoire auf einem immer wieder überregional beachteten Niveau boten.
Von besonderem Reiz ist aber auch die Darstellung der jüngeren Geschichte, die zunehmend von den Persönlichkeiten und musikalischen Vorstellungen der Generalmusikdirektoren geprägt war. Wie es Nagel hier gelingt, den durchaus heiklen Grat von distanzierter Würdigung einerseits und zwischen den Zeilen durchscheinender Einschätzung andererseits zu begehen, gehört zu den erfreulichsten Aspekten des Buches.
Naturgemäß sich einstellende Überschneidungen mit Helmut Pigges Theatergeschichte von 1998 fallen demgegenüber weniger ins Gewicht, zumal Nagel immer bemüht ist, aus der jeweiligen Gesamtsituation des Hauses Rückschlüsse auf den Zustand des Orchesters zu ziehen. Auch daß die Aussagekraft des ein oder anderen Dokuments durch fehlende Kommentierung etwas blaß bleibt (etwa der 1936 im Regensburger Anzeiger erschienene „Blick ins Orchester“) und manchen Formulierungen zum (musik)historischen Hintergrund die letzte Prägnanz fehlt, ist angesichts des positiven Gesamteindrucks leicht zu verschmerzen.