Michael Wackerbauer
Auf Abenteuerfahrt mit der Regensburger Bibliographie
Eike Eberhard Unger: Regensburger Bibliographie. Themen und Personen, hg. von E. J. Greipl und E. E. Unger, Regensburg: Verlag F. Pustet 2001, 1181 S., € 125,–
Seit einigen Wochen liegt ein eigenartiges Druckwerk in den Auslagen der Regensburger Buchhandlungen. Kein verkaufsfördernd gestalteter Schutzumschlag macht auf den voluminösen Band aufmerksam: vornehm präsentiert er sich in dunkelblauem Leinen mit schöner Goldprägung. Ein gediegen aufgemachtes Buch, das man gerne in die Hand nimmt, beim ersten flüchtigen Blättern aber den einen oder anderen verschrecken mag: Noch nie gab es ein Buch dieses Umfanges über Regensburg, das weder über Bilder noch über Verben verfügt.
Es ist ein Buch, das in nicht überschaubarem Umfang die unterschiedlichsten Aspekte Regensburgs in sich vereint, doch kaum etwas über diese verrät. Es ist stilistisch ein Graus und doch spannend verfaßt: man kann es im eigentlichen Sinne nicht lesen, doch läßt einen seine Lektüre nicht los. Es ist eine Art Bibel, doch wird es mit einer Auflage von wenigen hundert Exemplaren nur ausgewählte Bücherregale zieren.
Vor etwa zwei Jahren ließ sich Dr. Eike Eberhard Unger, stellvertretender Direktor der Universitätsbibliothek, auf ein Abenteuer ein, dessen Ausmaß er anfangs wohl kaum abschätzen konnte. Er griff die Idee des früheren Kulturreferenten Egon J. Greipl auf, als Ergänzung zu der im Jahre 2000 bei Pustet herausgekommenen zweibändigen Geschichte der Stadt Regensburg eine möglichst umfassende Bibliographie zur Geschichte der Stadt zu erarbeiten. Heraus kam ein vielschichtiger „Atlas“ von Regensburg, der einem gezielt Orientierung über Literatur zu einem bestimmten Thema verschaffen kann, aber auch schnell zu Abenteuerfahrten in bislang unbekanntes Terrain verführt.
Um ersteres sehr effektiv zu ermöglichen, steht sowohl ein Verfasser- und Titelregister als auch ein Orts-, Personen- und Sachregister zur Verfügung, die zusammen mit 270 Seiten etwa ein knappes Viertel des Buchumfanges einnehmen. Zum lustvollen Schweifen lädt dagegen die thematische Anordnung der 15.655 Einträge ein, die aus allen nur denkbaren Gebieten stammen, die mit Regensburg in Verbindung gebracht werden können. Die beliebte Frage, ob es heutzutage überhaupt noch Sinn mache, Verzeichnisse in gedruckter Form erscheinen zu lassen, stellt sich nach dem ersten Schmökern nicht mehr. Allen Literatursuchenden, die auf automatisierte Suchfunktionen nicht verzichten wollen, steht die Regensburger Bibliographie im Prinzip online über den WWW-OPAC des Bibliotheksverbundes Bayern via Schlagwortsuche zur Verfügung.
Unter der Rubrik Kunst nimmt die Musik mit gut 800 Einträgen einen stattlichen Platz ein. Auch hier wird Literatur in einem umfangreichen Spektrum vom Instumentenbau über das Musikleben bis hin zu einzelnen Institutionen, Ensembles und Persönlichkeiten erschlossen. Doch bleibt in der vorliegenden Auflage ein sehr interessanter und wichtiger Bereich fast völlig ausgespart: während in der Abteilung Sprache und Literatur eine schöne Auswahl an „Primärliteratur“ in einer eigenen Rubrik verzeichnet ist, findet man Musikalien in vernachlässigbarer Anzahl verstreut und eigentlich nur durch Zufall. Dabei will Eike E. Unger die Aufnahme von Musikwerken, die wie Paul Hindemiths Die Harmonie der Welt oder Franz Hummels Kammeroper An der schönen blauen Donau (Sekundärliteratur zu dem Werk unter Bildung, Schulwesen, Wissenschaften – Elisabeth Maldaque) engen Regensburg-Bezug haben, keineswegs ausschließen. Um Lücken dieser Art in den geplanten Updates der Bibliographie zu füllen, ruft Unger nach wie vor dazu auf, ihn bei der Suche nach aufzunehmenden Titeln möglichst tatkräftig zu unterstützen (Fragen und Hinweise bitte an: Eike.Unger@bibliothek.uni-regensburg.de).
Bei einem Unternehmen dieses Umfanges die Auswahl oder Einordnung einzelner Einträge zu diskutieren ist müßig. Ich persönlich finde den Band im Ganzen betrachtet derart nützlich und zugleich faszinierend, daß ich nur empfehlen kann: lieber auf den einen oder anderen Hochglanz-Bildband zu Regensburg verzichten und den vermeintlich hohen Preis von 125 € für die Erschließung eines ungeahnt reichen Stadtkosmos berappen.