Fabian Weber
Georg Ratzinger zum 80. Geburtstag
Auf dem Weg zwischen Domgymnasium und Innenstadt. Eine Person nähert sich. Dunkler Mantel, Baskenmütze, Schirm. Ein älterer Herr. Federnder Gang. Er kommt näher. Treffen an einer Kreuzung. Freundlicher Gruß, Händedruck. Kurze Unterhaltung. Frage nach den Eltern. Händedruck, Verabschiedung. Als Georg Ratzinger vor zehn Jahren seinen siebzigsten Geburtstag feierte, erschien eine Festschrift, zu der verschiedene Autoren kurze Aufsätze beitrugen. Angefangen vom Bruder, Joseph Kardinal Ratzinger, über Bischof Manfred Müller und den erst kürzlich verstorbenen Eberhard Kraus bis hin zu ehemaligen Domspatzen und Leitern anderer Knabenchöre schildern sie ganz persönliche Erlebnisse und Begegnungen mit dem Domkapellmeister. Durch die verschiedenen Arten der Annäherung entstand ein interessantes und facettenreiches Bild der Person Ratzingers, das den Griff nach dem Buch mit dem schlichten Titel Der Domkapellmeister gerade in diesen Tagen besonders lohnenswert macht. Georg Ratzinger wurde am 15. Januar 1924 in Pleiskirchen bei Altötting als Sohn eines Gendarmen geboren und wuchs dann in Marktl, Tittmoning und Aschau auf. Vor seinem Eintritt ins Studienseminar in Traunstein 1935 erhielt er bereits Harmoniumunterricht und leistete erste Organistendienste. Mit dem gymnasialen Unterricht erweiterte sich auch die musikalische Ausbildung und Ratzinger erhielt neben Klavier- und Orgel- auch Harmonielehreunterricht. 1942 erfolgte die Einberufung zum Reichsarbeitsdienst, dem sich nahtlos der Kriegsdienst in Italien anschloß. Nach der Rückkehr aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft im Juli 1945 begann er bereits im darauffolgenden Jahr mit dem Theologiestudium in Freising, wo er zusätzlich seine musikalische Ausbildung vertiefte. Am 29. Juni 1951 wurden schließlich Georg und Joseph Ratzinger (der in München studiert hatte) zu Priestern geweiht. Neben den priesterlichen Verpflichtungen als Kaplan an St. Ludwig in München und als Wallfahrtskurat in Maria Dorfen absolvierte Georg Ratzinger ein Kirchenmusikstudium an der Münchner Musikhochschule, das er 1957 mit einem Meisterkurs abschloß. Im selben Jahr übernahm er das Amt des Chordirektors an St. Oswald in Traunstein, nach dem Tod der Mutter im Dezember 1963 (der Vater war vier Jahre vorher verstorben) ging auch diese Zeit zu Ende. Am 15. November 1963 war Theobald Schrems gestorben. Kaum ein Vierteljahr später, im Februar 1964 wurde Ratzinger als Domkapellmeister und Leiter des Domchores nach Regensburg berufen. Die erste Begegnung mit dem Knabenchor hatte – wie sich Joseph Kardinal Ratzinger erinnert – bereits 1941 in Salzburg stattgefunden, wo die Domspatzen anläßlich des Mozart-Jahres ein Konzert gegeben hatten. Nun also trug Georg Ratzinger die Verantwortung für den Fabian Weber „Nicht nur schön singen, sondern Gottesdienst feiern“ Georg Ratzinger zum 80. Geburtstag Foto: Horst Hanske 17 Pizzeria Arch Chor. Er bewahrte die Kontinuität der Domspatzen und baute ihre Bekanntheit Schritt für Schritt weiter aus. Unter seiner Leitung nahmen neben dem liturgischen Dienst im Dom als Hauptaufgabe des Chores auch die sowohl interessante wie auch ökonomisch wichtige Konzert- und Aufnahmetätigkeit immer breiteren Raum ein. Unzählige Konzerte im In- und Ausland, so in Skandinavien, den USA oder Japan, sowie zahlreiche Einspielungen sind Zeugnis dafür. Persönliche Anerkennung für seine Verdienste erfuhr er durch die Verleihung des Bayerischen Verdienstordens 1983, des Bundesverdienstkreuzes Erster Klasse 1989 und besonders durch den Titel eines Apostolischen Protonotars 1994 sowie zahlreicher weiterer Preise an den Chor und seinen Leiter. Die Chorarbeit bedeutete bei ihm nicht nur reines Musizieren nach den Vorgaben eines Komponisten, es war ein tiefergehendes Gefühl, das seinen Ursprung im Glauben hatte. Singen ist, in der Musik zu leben, zu glauben und mit ihr zu fühlen. Der im Titel zitierte Satz, mit dem er vor jedem Gottesdienst das Einsingen abschloß, zeigt die wichtige Rolle, die für ihn vor allem der Glaube dabei spielt. Er sah seine Aufgabe darin, die „[...] Musik von dieser höchsten Bestimmung her zu leben, sich ihr immer neu anzunähern: ,Du wohnst in den Lobgesängen Israels.‘ [...]“, wie Joseph Kardinal Ratzinger über seinen Bruder schreibt. Im Sommer 1994 trat Georg Ratzinger nach über 30 Jahren erfolgreicher Arbeit als Domkapellmeister in den wohlverdienten Ruhestand. Beim letzten Gottesdienst unter seiner Leitung waren alle aktiven und viele ehemalige Domspatzen im Dom zusammengekommen, um sich von ihrem „Scheef“ zu verabschieden. Seither ist der ehemalige Leiter der Regensburger Domspatzen Kanonikus des Kollegiatsstiftes St. Johann am Dom, dem er auch einige Jahre vorstand. 1999 verlieh ihm das Päpstliche Institut für Kirchenmusik die Ehrendoktorwürde, 2001 konnte er zusammen mit seinem Bruder das 50jährige Priesterjubiläum feiern. Anläßlich seines 80. Geburtstags ernannte ihn Bischof Gerhard Ludwig Müller zum Honorarprofessor an der Hochschule für Katholische Kirchenmusik und Musikpädagogik in Regensburg. Auch heute noch erhält Georg Ratzinger oft Besuch von seinen ehemaligen Sängern, mit denen er gerne Erinnerungen wachruft, aber auch über aktuelle Themen diskutiert. Die Frage nach der jeweils persönlichen Entwicklung ist dabei obligatorisch. Immer wieder besucht auch Joseph Kardinal Ratzinger seinen Bruder in Regensburg. Und dann kann es passieren, daß sich die eingangs erwähnte Szene mit zwei älteren Herren wiederholt ... Literatur Franz A. Stein: Der Domspatzen-Kapellmeister ist 60!, in: Musica Sacra 104 (1984), S. 45f. Paul Winterer (Hg.): Der Domkapellmeister. Georg Ratzinger – ein Leben für die Regensburger Domspatzen, Regensburg 1994 Verkauf