mälzels magazin, Heft 2/2004, S. 3
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Juan Martin Koch
Editorial
Regensburg im April 2004: Die Bewerbung zur Kulturhauptstadt
ist in (hoffentlich) trockenen Tüchern,
die in ihrer pseudophilosophischen Verquastheit wahrhaft
denkwürdige „Denkschrift“ des Verbalverneblers
Hubert Feil ist nach kurzer Verweildauer wieder von
der „Regensburg2010“-Website verschwunden, und
Elli sei Dank hat es die Stadt mehrfach zur Primetime
in einen Quotenkanal geschafft. Benommen und geblendet
von so vielen guten Nachrichten wenden wir
uns dem musikalischen Alltagsgeschäft zu, jenen zarten
Pflänzchen, die im Schatten der „Utopien einer immerwährenden
Stadt“ (Feil) um die Aufmerksamkeit
einer geneigten Schar Interessierter buhlen dürfen: Da
vereint, wie in dieser Ausgabe nachzulesen, eine Villa
im Stadtwesten ganz unterschiedliche Ansätze in der
Pflege und Verlebendigung musikalischer Ausdrucksmöglichkeiten
unter einem Dach – mal volksnah,
mal unerhört. Da machen sich zwei Festivals erneut
auf die Suche nach Hörerlebnissen jenseits des Standardrepertoires:
das in Kallmünz (im Vergleich zu den
beiden Vorjahren) mit bescheidenerem, aber durchaus
beachtlichem Programm, die Tage Alter Musik mit
bewährtem Gespür für die aktuellen Trends in dieser
so lebendigen Szene.
Und da feiert das Philharmonische Orchester seine
100jährige Konzerttradition unter anderem mit
einer Komposition, auf die Mälzels Magazin in seiner
vierten Ausgabe 2001 aufmerksam gemacht hatte:
Leonhard Kleibers Musik zum historisch-poetischen
Festspiel Ratisbona aus dem Jahr 1910. Ob diese über
den Sympathie- und Kuriositätsbonus hinaus einer
kritischen Beurteilung standhält, wird sich dann zeigen;
daß GMD Guido Johannes Rumstadt diesen
Versuch ermöglicht, ist in jedem Fall ein ermutigendes
Signal. Wer weiß, vielleicht erweist sich die Anlage des
Stückes in augenzwinkernden historischen Tableaus ja
sogar als tragfähig genug, den Faden bis ins Jahr 2010
fortzuspinnen. Komponisten wie Jens Joneleit, Florian
Heigenhauser, Hans Schanderl oder Thomas Humbs
wäre es zuzutrauen, dazu die Musik zu erfinden. Eine
Musik, die jenseits der Phraseologie modernen Kulturmanagements
einer lebendigen Stadt eine lebendige
Stimme verleiht.
Juan Martin Koch
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