Juan Martin Koch
Neu auf CD: Leonhard Kleibers Festspiel, Milorad Romic und die Groove Brothers
Leonhard Kleiber: Ratisbona. Historisch-poetisches Festspiel; Heroische Ouvertüre Philharmonisches Orchester Regenburg, Guido Johannes Rumstadt (Reihe „musik : regensburg 1“, erhältlich an der Theaterkasse) „Man kann nicht glauben, dass nun in Bälde das reizvolle Festspiel zu den Dingen gehören soll, die gewesen sind.“ Das melancholische Zitat aus der Aufführungskritik des Regensburger Anzeigers, mit dem Michael Wackerbauer vor drei Jahren seinen Beitrag über das Ratisbona-Festspiel von 1910 ausklingen ließ (Mälzels Magazin 2001, Heft 4), hat sich im Nachhinein als prophetisch erwiesen. Nicht nur, daß nach dem Auffinden des Notenmaterials eine konzertante Aufführung des reizvollen Spektakels stattfand, nun ist durch den CD-Mitschnitt dieses Konzerts zumindest ein Teil der Musik Leonhard Kleibers dauerhaft konserviert. Zu verdanken ist dies vor allem auch dem Engagement des scheidenden Generalmusikdirektors Guido Johannes Rumstadt, der mit viel Geschick eine gestraffte Version des umfangreichen Opus erstellte und aufs Programm des Festkonzertes anläßlich der 100jährigen Konzerttradition des Philharmonischen Orchesters setzte. Kleibers Musik erwies sich dabei vor allem in der Instrumentierung als handwerklich sehr beachtlich und hörenswert. Von der wagnerisch sich aufschaukelnden Ouvertüre samt Strudellied über die musikhistorischen Anspielungen in der Barbara-Blomberg- Szene bis hin zur strahlenden Schlußapotheose ist hier ein spätromantisch schwelgendes Tongemälde zu vernehmen, das lediglich in der Inspiration und Verarbeitung der Themen einige Schwächen aufweist. Bis auf die dramaturgisch gut aufgebaute Schlachtmusik der siebten Szene kann Kleibers Partitur damit zwar nicht den symphonischen Anspruch einlösen, den eine solche Aufführung zu Unrecht suggeriert – die von Silyia van Spronsen und Christian Ballhaus rezitierten Auszüge des Schauspieltextes deuten die Handlung nur grob an –, doch erfüllt die Musik ihre Funktion als stimmungsvolle Begleiterin der Szenen ganz vorzüglich. So hätte die nun vorliegende CD (anscheinend der Auftakt einer Serie) ein schönes Dokument dieser Ratisbonensischen Kuriosität werden können, zumal die gelungene Wiedergabe durch das Philharmonische Orchester von der Tontechnik ordentlich festgehalten wurde. Doch aus Zeitnot wurde leider die grundlegendste Gepflogenheit einer solchen Produktion mißachtet: es fehlt die Angabe der Tracks. So dürften die vom Konzertbesuch nicht vorinformierten Zuhörer trotz Wiederabdruck des kompletten Programmtextes dem Ganzen wohl weitgehend ratlos gegenüberstehen. Auch die Unterteilung selbst ist so ungeschickt, daß eine Zuordnung der im Beiheft beschriebenen Szenen zu den Tracks fast unmöglich ist. Bis dieser ärgerliche Mißstand hoffentlich durch einen eingelegten Zusatz behoben ist, sei unseren Leserinnen und Lesern wenigstens ein grober Fahrplan an die Hand gegeben: 1. Ouvertüre 2. Vorspiel im Spitalgarten: Siegwarts Ständchen – Melodram des Danuvius 3. Ende des Vorspiels – Überleitungsmusik und 1. Szene: Aus der Vorzeit 4. Überleitungsmusik und 2. Szene: Castra Regina 5. Überleitungsmusik und 3. Szene: Annahme des Christentums durch die Bayern um das Jahr 700 Juan Martin Koch Zwei Gitarristen und eine Ratisbonensische Kuriosität Neu auf CD: Leonhard Kleibers Festspiel, Milorad Romic und die Groove Brothers 16 Förderabo „Mälzels Magazin“ Ja, ich möchte die regelmäßige Herausgabe der Musikzeitschrift „Mälzels Magazin“ mit einem Förderabo in Höhe von 15 € für je vier Hefte unterstützen und erhalte dafür versandkostenfrei alle Ausgaben ab Oktober 2004. Wenn ich „Mälzels Magazin“ nicht mehr beziehen möchte, genügt eine kurze schriftliche Mitteilung zum Ende des Bezugszeitraums. 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Jahrhunderts Otter Records MR-CD-05 Auf ein hierzulande kaum bekanntes Instrument macht der seit über zehn Jahren in Regensburg lebende und wirkende Gitarrist Milorad Romic auf seiner neuen CD aufmerksam: die siebensaitige russische Gitarre, genannt Semistrunnaia. Sie stellt eine Parallelentwicklung zur Etablierung der sechsaitigen, heutigen Standardgitarre dar. In Terzen statt in Quarten gestimmt, bilden die oberen sechs Saiten zwei G-Dur-Akkorde, darunter liegt eine weitere D-Saite. Im Rußland der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlangte das Instrument dank vieler Originalkompositionen von wichtigen Virtuosen große Beliebtheit, später wurde es vorwiegend begleitend eingesetzt. Ein nach der Oktoberrevolution verhängtes Verbot verhinderte die Aufrechterhaltung einer kontinuierlichen Aufführungstradition, an die erst in jüngerer Zeit wieder angeknüpft wird. Zu den bedeutendsten Komponisten für das Instrument zählt Andrei Sychra, der 1817 in St. Petersburg 6. Überleitungsmusik und 4. Szene: Friedrich Barbarossa hält im Jahre 1180 Reichstag in Regensburg – 5. Szene: Der Thummaister Wolfgang Roritzer 1514 7. Vorspiel und 6. Szene: Carl V. und Barbara Blomberg in der Kaiserherberge „Goldenes Kreuz“ 1546 8. Fortsetzung der 6. Szene 9. Überleitungsmusik und 7. Szene: Im immerwährenden Reichtag zu Regensburg. Eine Sitzung des churfürstlichen Collegiums 1682 10. Ende der 7. Szene – Überleitung und „Schlachtmusik“ – 8. Szene: Napoleon I. vor Regensburg am 23. April 1809 11. Finale: Melodram und Schlußapotheose vor der Walhalla Track 12 bietet als CD-Zugabe Kleibers Heroische Ouvertüre op. 19 aus dem Jahr 1905, ein weiterer Beweis für dessen solides, wirkungssicheres Komponieren. 17 Kartenhauskollektiv auch eine Schule mit Etüden für das Instrument herausgab. Aus seiner Feder stammen zwei auf der CD eingespielte Variationenfolgen über russische Volkslieder, die den warmen, dunkel timbrierten Klang der Semistrunnaia exemplarisch vorführen und dem vielseitigen Romic Gelegenheit geben, seine Kompetenz auch an diesem Instrument zu beweisen. Mühelos spannt er die melodischen Bögen dieser liebenswürdigen Musik und hält die Begleitfiguren in ruhiger, präziser Bewegung. Weiteren Originalkompositionen (darunter als längstes Stück weitere Volksliedvariationen von Mikhail Wyssotsky) stellt Romic einige Bearbeitungen aus eigener Feder gegenüber. Fast vorbarocke Züge tragen dabei die anonymen Sätze aus einem Moskauer Manuskript des 18. Jahrhunderts, während Niccolò Paganinis anspruchsvolle Sonaten ganz im Zeichen galanter Unterhaltungsmusik an der Schwelle zur Romantik stehen. Eine hörenswerte Neuerscheinung also, nicht nur für Gitarrenexperten. Groove brothers: Coming Home Bobtale Records (Münchner Str. 8, 93326 Abensberg) In der an herausragenden Saitenspielern wahrlich nicht armen Jazzgitarrenszene Regensburgs macht er vielleicht den bodenständigsten Eindruck: Hans „Yankee“ Meier. „Coming Home“ heißt passenderweise die erste CD seiner „Groove brothers“, die bei Bob Rückerls Abensberger Label Bobtale erschienen ist. Nach Hause kommen: das bedeutet für Yankee Meier immer die Verwurzelung im Blues, jenem Urgrund des Jazz, auf den sich zurückzubesinnen alle großen Jazzgitarristen ausgezeichnet hat. So verwundert es nicht, daß Meier seine „Groove brothers“ zu einem Familientreffen rund um die klassische Besetzung des traditionellerweise blueslastigen Orgeltrios geladen hat. Eine Hommage an das legendäre Klangzentrum einer solchen Besetzung, die Hammond B 3, eröffnet folgerichtig die Aufnahme, und dieser „B 3 Blues“ – wie die meisten Nummern eine ausgezeichnete Eigenkomposition Meiers – gibt dann auch gleich den Ton an für eine in allen Phasen relaxt pulsierende Scheibe. Neben Meier selbst, der seine einfallsreichen Phrasen in schöne melodische Bögen umzusetzen versteht, bilden der Schweizer Wahl-Berliner Ralf Ruh an der Orgel und Schlagzeuger Michael „Scotty“ Gottwald den Kern der Formation. Die Qualitäten des Letzteren müssen an dieser Stelle wohl kaum mehr verbalisiert werden und Ralf Ruh erweist sich als der mit allen Wassern gewaschene Mann an Tasten und Pedalen, der den Spielarten auf dieser CD, vom Shuffle-Blues bis hin zu Soul und Funk, die vibrierende Substanz verleiht. Wie er sich fast unmerklich in den Titelsong, eine wunderbare Ballade Meiers, hineinschleicht – das hat Format. Der Thüringer Stanley Blume wiederum ist Garant für intelligente Geschmeidigkeit am Saxophon, auch er ein Meister der ökonomisch eingesetzten und entsprechend wirksamen Energieschübe. Neben den Brüdern im Geiste des Groove ist da aber auch noch eine Schwester am Werk: Steffi Denk, die junge Soul- Stimme Regensburgs läßt es in zwei Vokaleinlagen der CD („Let’s stay together“ und das unsterbliche „Georgia on my mind“) heftig unter der Oberfläche brodeln.