Matthias Nagel
August Burgmüller, der erste Musikdirektor des Regensburger Theaters
Regensburg im April 1803: Hofkammerrat Jakob Guiolett war zufrieden. Sein Dienstherr Carl Theodor von Dalberg, Erzkanzler des Deutschen Reiches, Erzbischof und Kurfürst von Regensburg, hatte dem Plan zugestimmt, für die Bürger seiner neuen Residenzstadt ein Theater- und Gesellschaftshaus zu errichten. Wichtige Reformen, vor allem im sozialen Bereich (Armenpflege), aber auch im Finanz- und Justizwesen und nicht zuletzt im Bereich der allgemeinen Bildung, hatten schon nach kurzer Zeit spürbaren Erfolg. So schien auch dem kunstsinnigen, literarisch und ganz im Sinne der Aufklärung gebildeten Kurfürsten wenige Monate nach seinem Regierungsantritt die Zeit reif, das Bildungsangebot für alle Bürger mit einem Theaterbau zu unterstützen. Eine kulturelle Begegnungsstätte sollte es werden, die weniger den Repräsentationszwecken des Erzkanzlers, als dem Kunstgenuß allen interessierten Bürgern dienen sollte. Bereits während der Bauzeit wurden Überlegungen angestellt, wie das künftige Kulturinstitut zu leiten sei. Man entschied sich für die Bildung einer Theaterkommission nach Weimarer Vorbild. Dieses Gremium war einem Theaterdirektor, das hieß, einem privatwirtschaftlich verantwortlichem Theaterpächter übergeordnet. Der Vorsitzende dieser Kommission – er war wohl auch der Initiator – war Karl Christian Graf von Bentzel. Als Regierungsrat an der Seite von Dalberg, als dieser noch kurmainzischer Statthalter zu Erfurt und gleichzeitig Gesandter an den Höfen von Gotha und Weimar war, kannte Bentzel die Weimarer Theaterverhältnisse ziemlich genau. Wie Dalberg pflegte gewiß auch er Kontakte zum Dichterfürsten und Leiter des Weimarer Hoftheaters Johann Wolfgang von Goethe. Er erlebte den Bau und späteren Umbau des dortigen Komödienhauses in den achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts und hatte einen hervorragenden Einblick in die Organisation des Theaters. Auf wenigstens einem seiner Besuche mit Dalberg bei offiziellen Opern- und Schauspielaufführungen in Weimar, Gotha, Lauchstädt sowie in Erfurt selbst, dürfte Bentzel in der Theatersaison 1785/86 den blutjungen Musikdirektor der Schauspielgesellschaft Bellomo kennengelernt haben: August Burgmüller. Als Sohn des Domorganisten Johann Christian Burgmüller wurde Johann August Franz Burgmüller am 3. Mai 1766 in Magdeburg geboren. Von seinem Vater musikalisch umfassend ausgebildet, war August Burgmüller zunächst für eine akademische Laufbahn bestimmt. An der Leipziger Universität lernte er 1783 den Jurastudenten Gottfried Härtel, später Deutschlands bedeutendster Musikverleger, kennen. Nach einigen Semestern, in denen er sich auch als gefragter Klavier- und Generalbaßlehrer hervorgetan hatte, wechselte er an die Universität Erfurt. Dort brach er sein Studium ab, und seinem Wunsch folgend, an einem Theater musikalisch tätig zu werden, begab er sich nach Weimar. Dort fand er im Herbst 1785 Anstellung Zeichnung von Johann Petersen, 1811 (Stadtmuseum Düsseldorf ) 9 bei der Truppe des Schauspieldirektors Giuseppe Bellomo (eigentlich Joseph Edler von Zambiasi), die seit 1784 im neuen Komödienhaus spielte. Auch wenn er hin und wieder kleine Schauspielpartien übernahm oder auch die eine oder andere Schauspielmusik komponierte, so war er doch in erster Linie Musikdirektor jener Gesellschaft. Man darf sich die Schauspielgesellschaften des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts nicht als irgendwelche Tingeltangelgruppen vorstellen. In der Regel handelte es sich um hochprofessionelle Theaterunternehmen, die, mit dem entsprechenden Personal ausgestattet, sowohl Opern als auch Schauspiele in ihrem Repertoire hatten. Neben dem Schauspieldirektor, der in der Regel auch der Prinzipal (der Träger des finanziellen Risikos) der Truppe war, gab es oft einen Kapellmeister, meistens jedoch einen Musikdirektor. Zu dieser Zeit lagen die eigentliche Orchesterleitung sowie die Operndirektion vorwiegend in den Händen eines Musikdirektors. Ein Kapellmeister war dem Musikdirektor gewöhnlich übergeordnet. Für Burgmüller als Orchesterleiter treffen die Bezeichnungen Musikdirektor und Kapellmeister in gleicher Weise zu. Oftmals wurden die Bezeichnungen fließend angewandt. Ein Orchester hatten die Schauspielgesellschaften nur in wenigen Einzelfällen bei sich. Für gewöhnlich engagierte man Musiker aus der jeweiligen Stadt, Stadtmusiker und Militärmusiker, oder aber es stand eine entsprechend besetzte Hofkapelle zu Verfügung. In Weimar war letzteres der Fall. Der knapp 20jährige August Burgmüller konnte sich also mit der Leitung der bekannten Kapelle des Weimarer Hofes – mit circa 24 Musikern – seine ersten Lorbeeren verdienen. Die Musikdirektoren der damaligen Zeit leiteten die Orchester von ihrem persönlichen Instrument aus. Meistens waren es hervorragende Violinisten, aber auch Violoncellisten und in seltenen Fällen sogar Kontrabassisten. Allerdings gab es auch Opernleiter, die ihr Orchester von einem Tasteninstrument, einem Cembalo, einem Klavier oder Flügel aus dirigierten. Burgmüller bekennt in einem Bewerbungsschreiben an den bekannten Kölner Theaterprinzipalen Großmann, daß er, der Violine und recht gut Cello spielte, das Orchester am liebsten vom Flügel aus dirigiere, weil er daran gewöhnt sei. Dies bedeutet, daß er bei der Weimarer Hofkapelle möglicherweise auch hier Erfahrung gesammelt hatte und erklärt, warum er so bald als Theaterkapellmeister große Erfolge vorweisen konnte. Die Bewerbung August Burgmüllers bei der Truppe von Gustav Friedrich Wilhelm Großmann und dessen Mitdirektor Christian Wilhelm Klos in Köln hatte Erfolg. So debütierte er im Oktober 1786 dort als Theaterkapellmeister und das hieß in seinem Fall, daß er die Aufführungen selbst leitete. Die folgenden Jahre waren für Burgmüller ausgesprochen fruchtbar und abwechslungsreich. Seine Truppe gab Gastspiele in Düsseldorf und Bonn. Nachdem die Direktoren Großmann und Klos sich im Streit getrennt hatten, wurde Burgmüller Kapellmeister bei einer neuen Gesellschaft, die Klos in Köln neu zusammenstellte. Neben Gastspielen in Aachen und Bonn gab er mit dem Ensemble auch Konzerte. Nach der Auflösung der Klos’schen Truppe im Juli 1788, trat im Januar 1789 der nun 23jährige August Burgmüller ein Engagement als Musikdirektor bzw. Kapellmeister bei der Hofkapelle in Bonn an. Hier kam es zur Begegnung mit dem damals 18jährigen Ludwig van Beethoven, der in diesem Orchester Viola spielte. Nach einem kurzen Intermezzo am Nationaltheater zu Mainz, kam Burgmüller, nachdem die Stadt im Oktober 1792 von französischen Truppen besetzt und das Theater aufgelöst worden war, nach Düsseldorf. Hier wollte er sich nun als Musiklehrer niederlassen. Als Klavierlehrer führte sein Weg auch in das Haus des pfalzbayerischen späteren Generalmajors Freiherr Franz von Zandt. Die Tochter des Kavallerieoffiziers, Therese von Zandt, war musikalisch hochbegabt und wurde später als eine ausgezeichnete Pianistin bezeichnet. Beim Musikunterricht, der auch Harmonielehre und Kontrapunkt beinhaltete, kamen sich August und Therese bald näher und verliebten sich ineinander. Dem katholischen Vater von Zandt gefiel das Verhältnis seiner Tochter mit dem Protestanten Burgmüller überhaupt nicht und man schickte das Mädchen vorübergehend in ein Kloster. Schließlich gelang es Burgmüller aber, Therese von Zandt zu heiraten, jedoch wurden sie bald durch Kriegswirren in Düsseldorf und Umgebung im Oktober 1794 getrennt und verloren sich aus den Augen. Es war die Zeit der französischen Besetzung des Rheinlandes. August Burgmüller war nun in den folgenden Jahren als Musikdirektor bei verschiedenen Schauspieltruppen beschäftigt, davon längere Zeit in Mainz. Zunächst 10 war der Prinzipal Friedrich Wilhelm Hunnius sein Arbeitgeber. Mit ihm war er auch etwa drei Monate in der kleinen Grafschaft Wetzlar. Nach der Auflösung dieser Truppe im Herbst 1796 war er fast fünf Jahre bei Johann Ludwig Büchner mit dem er wiederum Gastspiele in Köln, Aachen und Düsseldorf unternahm. In Mainz wurde für die Opernaufführungen die kurfürstliche Hofkapelle hinzugezogen, die damals zu den führenden Orchestern Deutschlands zählte und deren Kapellmeister seit 1793 Franz Xaver Sterkel war. Mit ihm dürfte August Burgmüller sicherlich Bekanntschaft gemacht haben, noch nicht wissend, daß man sich dereinst in Regensburg wiedersehen würde. Als Büchner 1801 nach Augsburg ging, blieb Burgmüller in Köln und wurde Kapellmeister des Kölnischen Nationaltheaters. Von dort ging es erneut zu Gastspielen nach Düsseldorf und Aachen, wo unser Musikdirektor auch schon mal ein Klavierkonzert von Mozart zwischen zwei Opernakten spielte. In Düsseldorf schloß er mit dem Dichter Clemens Brentano Freundschaft. Nach dem Tod seiner Schwiegermutter, Maria Sophia von Zandt, im Dezember 1802 hoffte August Burgmüller seine bis dahin immer noch vermißte Frau Therese wiederzusehen. Die Hoffnung erfüllte sich aber vorerst nicht. Knapp ein Jahr später jedoch, am 9. November 1803, erschien in der Leipziger Allgemeinen Musikalischen Zeitung ein „Aufruf an den Tonkünstler Burgmüller“. Diese Anzeige mit der Bitte, sich über die Zeitschrift zu melden, stammte von Burgmüllers Frau Therese, die es offenbar nach Leipzig oder in die Nähe der sächsischen Stadt verschlagen hatte. Man nimmt nun an, daß der vielbeschäftigte Kapellmeister und Musikdirektor sich bald mit ihr in Verbindung gesetzt hat. Vielleicht hatte er zu diesem Zeitpunkt auch schon erfahren, daß im fernen Regensburg ein neues Opernhaus entstehen sollte. Aus dem Briefwechsel mit Therese hat er wohl erfahren, daß deren Schwester Maria Anna – eine ehemalige Nonne und daher ohne Mittel – in der Donaustadt als Empfängerin von Almosen lebte. Die Aussicht, seine Frau nach vielen Jahren in Regensburg wieder sehen zu können, ließ Burgmüller nicht zögern, sich noch im November 1803 in Regensburg um die neue Stelle eines Musikdirektors am noch im Bau befindlichen Theater zu bewerben. Höchstwahrscheinlich durch die Protektion des Vorsitzenden der Theaterkommission, Graf von Bentzel-Sternau, erhielt er die Zusage. Interessanterweise war der Referent für das Musikwesen in der Theaterkommission, Franz Xaver Sterkel, zu diesem Zeitpunkt, nämlich um die Jahreswende 1803/04, noch nicht offiziell bestätigt. Dies geschah erst im Oktober 1804, nachdem das Theater schon eröffnet war. Allerdings hatte er schon vorher in Mainz den Rang eines kurfürstlichen Hofmusikdirektors und Kapellmeisters inne, so daß in Regensburg, dem neuen Sitz des ehemaligen Mainzer Kurfürsten, eine ähnlich bedeutende Stellung zu erwarten war. Sterkel, selbst ein bekannter Pianist, Organist und Komponist, kannte, wie erwähnt, Burgmüller bereits als Musikdirektor der Schauspieltruppe Büchner. Da er sich vermutlich schon 1803 in Regensburg aufhielt, liegt es nahe, daß er es war, der Graf Bentzel das Engagement des in Fachkreisen hoch angesehenen Burgmüller empfahl. Das neue Haus dürfte zum Zeitpunkt seiner Ankunft, bis auf die üblichen Restarbeiten, bereits fertiggestellt gewesen sein. Theaterdirektor Ignaz Walter, ein ehemaliger Tenor mit großer Opernerfahrung – auch er hatte in Mainz von 1789 bis 1792 gewirkt – hatte 11 zu diesem Zeitpunkt sein Ensemble schon weitgehend zusammengestellt. Und ist die Bühne des Theaters das feste Podium für Schauspieler, so ist das Orchester, insbesondere für die Sänger, die musikalische Grundlage für das Entstehen einer Oper. Die Regensburger Orchestersituation war Burgmüller mit Sicherheit bekannt. Er wußte von der berühmten Hofkapelle der Fürsten von Thurn und Taxis und hoffte vielleicht insgeheim auf dieses erfahrene, eingespielte Orchester für seine Opernaufführungen zurückgreifen zu können. Diesen Gedanken mußte er allerdings bald fallen lassen. Die Hofkapelle war mit den Repräsentationsaufgaben so beschäftigt, daß sie gar nicht zur Verfügung stehen konnte. Der Hof gestattete jedoch einzelnen Musikern, im Theater, quasi als Nebentätigkeit zu spielen. Beim Aufbau des Theaterorchesters mußte Burgmüller also andere Wege gehen. Dies war so schwierig nicht, denn es gab beim Militär des neuen Kurfürsten auch eine „kurerzkanzlerische Militärkapelle“. Militärmusiker waren den Hof- oder Stadtmusikern in ihrem musikalischen Können keinesfalls unterlegen. Im Gegenteil: Ohne die „Hoboisten“ eines ortsansässigen Militärmusikkorps war eine partiturgetreue Ausführung der Bläserstimmen in vielen Theaterorchestern jener Zeit kaum möglich. Ignaz Walter selbst formulierte es folgendermaßen: „In den Städten wo nicht ganz besetzte Hoforchester existieren, ist es zur Angel geworden, dass die Militärmusik im Theater spiele.“ Dies traf auf Regensburg insofern zu, als es dort keine kurfürstliche Hofkapelle gab – die ehemals kurmainzische Hofmusik war in Aschaffenburg geblieben – und von der Thurn und Taxisschen Hofmusik nur wenige Violinisten und ein Flötist zur Verfügung standen. Woher die Militärmusiker letztendlich kamen, ist noch nicht bekannt. Man könnte sogar vermuten, daß die Militärkapelle aus Regensburger Stadtmusikern neu zusammengestellt worden war. Das neue Theaterorchester bestand also zu Burgmüllers Zeit zunächst aus Musikern der kurerzkanzlerischen Militärmusik, aus den wenigen Hofmusikern und aus einzelnen Stadtmusikern. Obwohl die Tätigkeit im Opernorchester als eine Nebentätigkeit angesehen wurde, dürften vertragsartige Verpflichtungen existiert haben. Burgmüller hatte also für die damalige Zeit einigermaßen stabile Verhältnisse. Am 12. September 1804 war es dann soweit. Der Vorhang hob sich erstmalig für eine Oper im neuen Regensburger Theater, welches bereits am 7. September mit dem Schauspiel Der Puls von Julius Mario von Babo eröffnet worden war. Palmira, Königin von Persien von Antonio Salieri (UA: 14. Okt. 1795 im Theater am Kärntnertor, Wien) schien würdig den Opernreigen im neuen Haus zu eröffnen. Die Oper wurde am 16. September wiederholt. August Burgmüller saß inmitten seines neuen Orchesters und leitete die Aufführungen vermutlich von einem Hammerflügel aus, so wie er es gewohnt war. Anhand von Etatentwürfen darf man zunächst von einem 27köpfigen Orchester ausgehen, was sich aus Kostengründen allerdings nach wenigen Jahren änderte. Jedoch berichtet August Wilhelm Iffland in einem Almanach für Theater und Theaterfreunde noch für das Jahr 1807 von einem Orchester, das „mit jährlichem Contract engagiert und aus 27 Mitgliedern besteht.“ Später hatte das Orchester in der Regel um die 20 Mitglieder, wurde aber für größere Opern verstärkt. Schon wenige Tage nach den ersten Aufführungen wurde die „geistreiche Leitung“ Burgmüllers durch die Theaterkommission gelobt. Im Jahre 1805 befand ein Beobachter der Zeitschrift Der Freimütige: „Dem vorzüglichen Talente und unermüdlichem Kunstfleiße des Herrn Burgmüller verdanken wir ein Orchester, desgleichen an wenigen Höfen zu finden sein möchte.“ Wenn dem Berichterstatter bewußt war, daß es sich beim neuen Regensburger Theaterorchester gar nicht um ein Hoforchester ursprünglicher Prägung handelte, so ist dieser Satz sehr bemerkenswert. Dies ist, als ob man heutzutage das kleine Orchester eines Stadttheaters mit einem der großen Staatsopernorchester vergleichen würde. Wir wissen aber auch, daß es angesichts der Vielfalt der angebotenen Opern bestimmt nicht immer so „rund“ laufen konnte. Innerhalb eines Monats (vom 12. September bis 12. Oktober 1804) 12 waren unterschiedlichste Operngattungen und Sujets jener Zeit auf der Regensburger Bühne zu sehen und zu hören. Salieris Palmira, ein Dramma tragicomico, war wohl eine Nachfolgeform der italienischen Opera seria. Schon am 19. September gab man eine der aufmüpfigsten Buffoopern jener Zeit: Mozarts Hochzeit des Figaro. Es folgte am 23. September Peter von Winters Das unterbrochene Opferfest, eine Oper mit exotischem Sujet – die Handlung spielt im von den Spaniern besetzten Reich der Inka –, in der sich verschiedene nationale Stile vereinen. Das damals beliebteste Werk aus dem Bereich der Rettungs- und Befreiungsoper, Luigi Cherubinis Der Wasserträger, wurde am 30. September gegeben. Am 3. Oktober kam Johann Schenks Der Dorfbarbier, ein Wiener Singspiel auf die Bühne und am 7. Oktober gab sich Theaterdirektor Walter als Komponist mit Des Teufels Lustschloß, einer komischen Oper mit dem Text von August von Kotzebue, selbst die Ehre. Schließlich spielte man im neuen Regensburger Opernhaus am 10. Oktober Camilla oder das unterirdische Gewölbe, wieder eine Befreiungsoper, und zwar – wie Magnus Gaul in seiner in diesem Heft besprochenen Dissertation nachgewiesen hat – in der italienischen Version Ferdinando Paërs. Verwundern mag die Fülle der Opern, die in sehr kurzer Zeit aufeinanderfolgend gegeben wurden. Lange Probenzeiten mit Orchestern gab es damals noch nicht. Vielleicht gab es zwei oder drei Durchläufe mit den Sängern – das war auch schon alles. Ein Regietheater mit eigenem Bühnenbild, wie wir es heute kennen, war auch nicht üblich. Man spielte in fertigen Bildern – z. B. Dorfstraße, Schenke, Kerker, Salon, Wald etc. –, die für die einzelnen Stücke entsprechend verändert werden konnten. Der Erfolg Burgmüllers bei seiner Arbeit mit den verschiedensten Orchestern hatte einen naheliegenden Grund: Er muß pädagogisch außerordentlich begabt gewesen sein. Aus Quellen, die aus der Zeit nach seinem Regensburger Engagement stammen, ist bekannt, daß er vor allem einen guten Gesang sowohl für die musikalische als auch ganz besonders für die menschliche Bildung für unerläßlich hielt. Und so erklärt sich auch Burgmüllers Vorschlag in Regensburg „eine dramatische Schule“ zu errichten, was „für die Erhaltung und künftige bessere Organisation der hiesigen Bühne von den besten Folgen sein müsste.“ Dalberg, der von der Notwendigkeit der Theaterschulen ohnehin überzeugt war, und Bentzel nahmen die Überlegungen gerne auf und beschlossen die Gründung einer solchen Schule in Regensburg. Die ehrwürdige Stadt an der Donau war somit die erste in Deutschland, welche eine Schauspielschule bekam. Als Lehrer für Deklamation konnte Professor Joseph Koller, Kanzlist der österreichischen Gesandtschaft in Regensburg und Verfasser mehrerer Bücher über Schauspielkunst, gewonnen werden. In einem Abschlußbericht, als die Schule nach fünf Jahren wieder geschlossen werden mußte, schrieb Koller begeistert über Burgmüllers Enthusiasmus und seine herausragenden Fähigkeiten als Pädagoge. Am 14. Oktober 1805 begann der Unterricht an der Theaterschule. Burgmüller bekam ein zusätzliches Jahresgehalt für seine Lehrtätigkeit. Dafür mußte der Musikdirektor in seiner eigenen Wohnung unterrichten, da aus Platzmangel keine anderen Räumlichkeiten zur Verfügung standen. Therese Burgmüller gebar am 4. Dezember 1806 ihren zweiten Sohn, Johann Friedrich Franz. Pate bei der Taufe, die noch am selben Tag in der Rupertuskirche – gleich neben der Basilika von Sankt Emmeram – stattfand, war der Theaterschriftsteller und Miniaturmaler Joseph von Goez. Wenige Monate später, im März 1807, erreichte die Familie Burgmüller die Nachricht vom Tode des Schwiegervaters Franz Freiherr von Zandt in Düsseldorf. August Burgmüller bat im Juni 1807 um einen Monat Urlaub, um bei der Erbverteilung persönlich anwesend sein zu können. Der Urlaub wurde gewährt und später sogar verlängert. Schon Anfang Juli war die gesamte Familie Burgmüller aus Regensburg nach Düsseldorf gereist. Die zu erwartende Erbschaft, die in erster Linie aus Gütern Franz von Zandts bestanden haben dürfte, ließen die Burgmüllers wohl unbesorgt von der neu erblühten Stadt an der Donau Abschied nehmen. August Burgmüller kehrte nicht wieder nach Regensburg zurück. Die folgenden Jahre in Düsseldorf waren geprägt vom fruchtbarem Wirken als Kapellmeister, als städtischer Musikdirektor und natürlich als Musiklehrer und Komponist. So ist die Gründung der Niederrheinischen Musikfeste eng mit seinem Namen verbunden. Für diese Musikfeste wurden für damalige Verhältnisse riesige Orchester von über 100 Musikern zusammengestellt, dazu große Chöre aus Laien und Berufssängern sowie Solisten. Die ersten dieser Großkonzerte fanden unter seiner Leitung am 10. und 11. Mai 1818 statt. 13 Auf dem Programm standen Joseph Haydns Oratorien Die Jahreszeiten und Die Schöpfung. Und immer wieder wurde Burgmüllers Leistung, vor allem die Präzision seiner Leitung lobend hervorgehoben. Ihm folgten große Namen wie Gaspare Spontini, Felix Mendelssohn Bartholdy, Louis Spohr, Robert Schumann und viele andere. Am 8. Februar 1810 wurde sein dritter Sohn Norbert geboren. Dieser ist als Komponist heute wohl der bekannteste der Burgmüllers. Zu Lebzeiten war ihm kein großer Ruhm beschieden und nach seinem frühen Unfalltod im Jahre 1826 geriet er bald in Vergessenheit, obwohl keine Geringeren als Robert Schumann und Johannes Brahms seine Arbeit sehr zu schätzen wußten. Vater August Burgmüller mußte den tragischen Tod seines wohl begabtesten Sohnes nicht miterleben. Er verstarb nach schwer er Krankheit am 21. August 1824 in Düsseldorf. Literatur: Konrad M. Färber: Kaiser und Erzkanzler, Regensburg 1994 Magnus Gaul: Musiktheater in Regensburg in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Studien zu Repertoire und Bearbeitungspraxis, Tutzing 2004 (Regensburger Studien zur Musikgeschichte, Bd. 3) Wolfram Huschke: Von jener Glut beseelt. Die Geschichte der Staatskapelle Weimar, Jena 2002 Klaus Martin Kopitz: Der Düsseldorfer Komponist Norbert Burgmüller. Ein Leben zwischen Beethoven – Spohr – Mendelssohn, Kleve 1998 Peter Morsbach: „Das vornehmste Gebäude, in welchem die Musen ihren Sitz aufgeschlagen hatten“. Streiflichter aus der Baugeschichte des Theaters und Gesellschaftshauses, in: Theater. Sanierung 1998–2001, Regensburg 2001 (Regensburg plant & baut, Bd. 6) Matthias Nagel: Thema & Variationen. Das Philharmonische Orchester Regensburg und seine Geschichte, Regensburg 2001 Helmut Pigge: Die Gründung des Theater- und Gesellschaftshauses, in: Carl von Dalberg, der letzte geistliche Reichsfürst, hrsg. von Karl Hausberger, Regensburg 1995 August Scharnagl: Johann Franz Xaver Sterkel. Ein Beitrag zur Musikgeschichte Mainfrankens, Würzburg 1943 Wir danken dem Stadtmuseum Düsseldorf für die Abdruckgenehmigung der Abbildung auf S. 8.