Bettina Berlinghoff-Eichler
Zur Enthüllung der Büste Anton Bruckners in der Walhalla am 6. Juni 1937
Wenige Monate vor dem sog. „Anschluß“ Österreichs konnte die Bevölkerung der Stadt Regensburg am 6. Juni 1937 im Rahmen eines Staatsaktes an der Walhalla eine der aus heutiger Sicht wohl merkwürdigsten Selbstinszenierungen des Nazi-Regimes miterleben. Doch war es nicht, wie sich vielleicht vermuten ließe, die Büste eines bedeutenden deutschen Staatsmannes, die mit großem Aufwand im „Ruhmestempel der Deutschen“ enthüllt wurde, sondern die eines in Österreich geborenen Komponisten. Nach Johann Sebastian Bach, Georg Friedrich Händel, Christoph Willibald Gluck, Wolfgang Amadeus Mozart, Ludwig van Beethoven, Richard Wagner (1913 anläßlich des 100. Geburtstages) und Franz Schubert (1928 anläßlich des 100. Todestages) war Anton Bruckner der achte in der Walhalla aufgenommene Komponist.
Mag man das Ereignis nun wie Albrecht Riethmüller als ‚öffentliche Probe‘ (1993, S. 16) oder wie Albrecht Dümling als ‚symbolische Vorwegnahme‘ (1999, S. 204) in Bezug auf den 1938 erfolgenden „Anschluß“ Österreichs und der damit verbundenen Konsolidierung eines geeinten „Großdeutschland“ interpretieren – Thesen, die durch den Charakter der Massenveranstaltung in Verbindung mit dem am Nachmittag des 6. Juni sich anschließenden Gauparteitag der Bayerischen Ostmark in Regensburg, bei dem 200 000 Menschen ihre Treue zum nationalsozialistischen Staat und seinem Führer schworen, durchaus gestützt werden – Tatsache ist, daß es Staatsakte in der Walhalla bisher nur zweimal im Zusammenhang mit der Aufstellung der Büsten Ludwigs I. und Kaiser Wilhelms I. in den 1890er Jahren gegeben hatte.
Warum nun wurde gerade ein Komponist, noch dazu ein gebürtiger Österreicher, eines solchen Aufwandes für würdig befunden? Diese Frage erscheint auch heute noch nicht vollständig geklärt. Wie in der Sekundärliteratur immer wieder betont wird, spielte zwischen 1933 und 1945 Anton Bruckner bzw. seine Musik vor allem deswegen eine so große Rolle, weil sich Hitler offenbar in mehrfacher Hinsicht mit der Person Bruckners identifizieren konnte: Beide waren Österreicher, hatten sich aus einfachen Verhältnissen emporgearbeitet, lebten zeitweise in Linz und wurden in Wien als Künstler zunächst abgelehnt. Nicht nur der einem Großteil der Kompositionen Bruckners, insbesondere den Sinfonien, anhaftende monumentale Charakter, sondern auch die in Werken wie Germanenzug oder Helgoland offen zu Tage tretende Deutschtümelei waren dazu geeignet, ein Massenpublikum, wie es die Nazis bevorzugten, unmittelbar anzusprechen. Die großdimensionierte formale Anlage der Sinfonien, die Prägung durch den Orgelklang, die Bevorzugung klarer Rhythmik und dreiklangsgebundener Harmonik, aber auch das Einbeziehen volksmusikalischer Elemente galten in [4/5] der Zeit als Merkmale einer „echten reinen deutschen“ Musik, die anläßlich der jährlich stattfindenden Reichsparteitage oder anderer Feierlichkeiten den im nazistischen Sinne adäquaten musikalischen Rahmen für Propaganda-Reden und Machtdemonstrationen darstellte. Besonders beliebt waren in diesem Zusammenhang im übrigen die Sinfonien Nr. 3, Nr. 5 und Nr. 7. Daß Hitler die Musik Bruckners mindestens ebenso schätzte wie die Richard Wagners, bezeugt sein zu Beginn der 1940er Jahre angedachter Plan zum Aufbau einer „Weihestätte für das unsterbliche Werk Bruckners“ im Stiftsgebäude von St. Florian in Linz, wo dann jährlich „Bruckner-Festspiele nach Art von Bayreuth“ veranstaltet werden sollten. Wenn es nun unbedingt die Büste eines Komponisten sein mußte, die in die Walhalla aufgenommen werden sollte, lag es nahe, die Anton Bruckners auszuwählen, zumal bereits eine entsprechende Eingabe der Internationalen Bruckner-Gesellschaft (im folgenden: IBG) vorlag. Der Walhalla-Staatsakt des Jahres 1937 stellte nur den vorläufigen Höhepunkt nazistisch geprägter Bruckner-Verehrung dar. Er wurde letztlich ermöglicht durch eine Institution, die sich bereitwillig für politische Propagandaveranstaltungen instrumentalisieren ließ. Die Nazis „honorierten“ diese Form des Opportunismus, indem sie die IBG nach dem „Anschluß“ 1938 gleichschalteten und ihren Präsidenten Max Auer seines Amtes enthoben.
Erste Pläne zur Aufstellung einer Büste Anton Bruckners in der Walhalla existierten bereits zu Beginn der 1930er Jahre, doch wurde einer diesbezüglichen Eingabe seitens der IBG von der bayerischen Landesregierung zum damaligen Zeitpunkt nicht stattgegeben (Brüstle 1998, S. 102). Auch der Künstler, dessen Werk letztendlich in der Walhalla enthüllt wurde, Adolf Rothenburger, hatte schon 1933 die Ausarbeitung einer Marmorbüste Bruckners in Erwägung gezogen, wie aus einem Schreiben des Komponisten Wolfgang von Bartels an Max Auer vom 10. Juni 1933 hervorgeht: „Der Bildhauer Rothenburger hat den Plan, die Büste Bruckners in Marmor auszuarbeiten und eventuell zu beantragen, daß diese Büste vom bayr. Staat erworben und in der Walhalla aufgestellt wird. Stünde die IBG Wien einem solchen Plan günstig gegenüber? Wenn ja, dann könnten wir hier in München beim bayr. Staat vorfühlen, ob solches möglich!“ (zitiert nach Brüstle 1998, S. 102). Auer stimmte dem Plan zu und Siegmund Hausegger, der damalige inoffizielle Präsident des deutschen Zweiges der Gesellschaft und Dirigent der Münchner Philharmoniker, nahm die Verhandlungen mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Ludwig Siebert auf.
Es sollte allerdings noch 3 Jahre dauern, bis Hausegger im Februar 1936 den Erfolg seiner Mission vermelden konnte (Brüstle 1998, S. 103). Etwa zur gleichen Zeit beauftragte der Regensburger Musikverleger Gustav Bosse in seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied der IBG den in Breslau lebenden Künstler Hans Wildermann mit der Anfertigung einer Bruckner-Ehrenmedaille, die offenbar im Zusammenhang mit der Enthüllung der Büste an verdiente Förderer der Musik Anton Bruckners überreicht werden sollte.
Zwei Monate später übergab die bayerische Landesregierung im Mai 1936 die Walhalla unter Berufung auf einen Zusatz zur ursprünglichen Verfügung [5/6] Ludwigs I. vom 14. Mai 1862, demzufolge die Verfügungsgewalt über die Walhalla bei einer Auflösung des Deutschen Bundes an Bayern übergehen, bei einer Neugründung des Bundes aber an Deutschland zurückfallen würde, an Adolf Hitler als dem Führer und Kanzler des deutschen Volkes und bat ihn ferner um die Aufstellung weiterer Büsten. Über die Begründung des Ministerpräsidenten Siebert und die Aufnahme der Bruckner-Büste informiert ein Artikel des Völkischen Beobachters vom 22. Mai 1936 unter der Überschrift Ministerpräsident Siebert vollstreckt das deutsche Vermächtnis Ludwig I., der hier auszugsweise wiedergegeben wird: „Die nationalsozialistische Landesregierung steht auf dem Standpunkt, daß die Entwicklung der politischen Verhältnisse die Walhalla zu einem reinen deutschen Ruhmestempel gemacht hat, so wie es ihr Schöpfer zweifellos auch wollte. Die Bestimmung der Aufnahme von Büsten um die Nation besonders verdienter Deutscher kommt daher nicht mehr der Bayerischen Landesregierung zu. Sie kann nur noch dem Führer der Nation zustehen. Ich habe darum namens der bayerischen Landesregierung den Führer und Reichskanzler gebeten, daß er die Walhalla in seine Obhut nehmen und insbesondere in Zukunft bestimmen möge, welche Büsten hervorragender Deutscher in Zukunft dort aufgestellt werden. Der Führer hat diesem Antrag stattgegeben und zugleich einen weiteren Antrag genehmigt, daß, einer Bitte der Internationalen Bruckner-Gesellschaft entsprechend, zur Ehrung Anton Bruckners, dessen 40. Todestag in das laufende Jahr fällt, die Büste dieses neben Beethoven größten deutschen Symphonikers in der Walhalla zur Aufstellung kommt. Anton Bruckner, der einer oberösterreichischen Bauernfamilie entstammt [...], verbindet in seiner Musik echte Volkstümlichkeit der Melodik mit den Offenbarungen eines kraftvoll männlichen, tief religiösen Ethos und ist dadurch zu einem der größten Verkünder des deutschen Wesens geworden. Seine Ehrung gilt also gleich dem deutschen Geiste. Der Führer hat in Aussicht gestellt, bei der im Oktober stattfindenden Aufstellung der Büste im Ruhmestempel der Deutschen anwesend zu sein. So hat der Führer dem deutschen Ehrentempel seine Weihe für die Zukunft gegeben. Daß die erste Büste, die nach seiner Entscheidung zur Aufstellung kommt, den Künder edelster deutscher Musik verkörpert, zeigt die Stellung des nationalsozialistischen Deutschland zur deutschen Kultur“ (Süddeutsche Ausgabe, 49. Jg., 143. Ausgabe, S. [1]). Die Bedeutung des gesamten Vorgangs unterstrich der Völkische Beobachter mit der förmlich ins Auge springenden rot unterstrichenen Schlagzeile „Die Walhalla als Ehrentempel des deutschen Volkes unter der Obhut des Führers“.
Die feierliche Enthüllung der Büste war für den Herbst des Jahres vorgesehen und sollte im Rahmen des 8. Brucknerfestes der IBG in Regensburg stattfinden (Zeitschrift für Musik, 103. Jg., H. 6, Juni 1936, Anton Bruckner in der Walhalla, S. 724). Für die Organisation dieser Veranstaltung zeichneten in erster Linie der in München ansässige Komponist und Dirigent Siegmund von Hausegger, der Präsident der Reichsmusikkammer Peter Raabe und Gustav Bosse verantwortlich. Im September des Jahres schienen die Vorbereitungen relativ weit vorangeschritten zu sein, denn die von Bosse herausgegebene Zeitschrift für Musik informierte ihre Leser bereits über die zur Auf- [6/7] führung vorgesehenen Kompositionen Bruckners und die teilnehmenden Dirigenten (H. 9, S. 1154). Als Aufführungsort war u. a. die Minoritenkirche vorgesehen, die aus diesem Anlaß auf Kosten der Nazi-Regierung von Grund auf restauriert und zum Konzertraum umfunktioniert werden mußte. Darüber hinaus wurde beim Öttinger Orgelbauunternehmen G. F. Steinmayer ein Instrument in Auftrag gegeben, das den Anforderungen der Musik Bruckners zu genügen hatte. Bosse äußerte sich diesbezüglich gegenüber Auer in einem Brief vom 1. September 1936: „Um auch in den Konzerten etwas Außerordentliches zu erreichen, wurde nach vielen Schwierigkeiten durchgesetzt, daß die unserem Museum angegliederte, früher sehr verwahrloste aber wundervolle gotische Minoritenkirche zu einem Konzertsaal umgestaltet wird. Die Kirche bleibt als solche auch weiterhin Museumsraum, wird aber durch Einbau einer Orgel, einer Beleuchtung und eines auswechselbaren Gestühls für besondere Gelegenheiten feierlicher Konzerte der Musik dienstbar gemacht. Alles wird erstmals anläßlich des Bruckner-Festes in Erscheinung treten. Der Führer selbst hat die Mittel für die Orgel und den Ausbau der Kirche bewilligt.“ (Brüstle 1998, S. 105).
Nur zwei Wochen später entschloß sich Hitler jedoch überraschend zu einer Verlegung der Regensburger Brucknerfeier auf Mai 1937. Gustav Bosse, den der Regensburger Oberbürgermeister Otto Schottenheim am 14. September 1936 hierüber in Kenntnis gesetzt hatte, vermutete, daß das Fest wohl „ganz groß, weit über den bisher geplanten Rahmen hinaus gestaltet werden“ solle und „daß für diese besondere Ausgestaltung des Festes durch das Reich, die von uns ja so sehr gewünschte äußere Dokumentierung der Verbrüderung Deutschland – Österreich maßgebend“ sei, eine Äußerung, die angesichts des angespannten politischen Verhältnisses zwischen Deutschland und Österreich wohl besser nicht an die Öffentlichkeit gelangen durfte (Brief an Auer, 15. September 1936, ebda., S. 104). In der Zeitschrift für Musik wurden ganz andere – weitaus weniger politisch brisante – Gründe für die Terminverschiebung geltend gemacht: „Maßgebend [...] war, daß die Feier alsdann in eine günstigere Jahreszeit fällt und vor allem, daß sie Ende Oktober mit anderen großen Veranstaltungen zusammengefallen wäre, die zahlreiche hervorragende Persönlichkeiten verhindert hätten, an den vorgesehenen Veranstaltungen zu Ehren Anton Bruckners in Regensburg teilzunehmen“ (103. Jg., H. 10, Oktober 1936, S. 1258). Das 8. Brucknerfest der IBG fand tatsächlich erst nach Ablauf des Gedenkjahres statt, und zwar vom 5. bis 7. Juni 1937. Der Großteil der anfallenden Kosten, die sich auf über 50 000 RM beliefen, wurde als „Führerspende“ deklariert und vom Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda getragen.
Die Feierlichkeiten begannen am Abend des 5. Juni mit dem 1. Festkonzert im Neuhaussaal (Programm siehe S. 6). Außerhalb des eigentlichen Festprogramms fand während des sonntäglichen Pontifikalamtes eine Aufführung der e-Moll-Messe im Regensburger Dom statt. Die Enthüllung der Büste in der Walhalla im Rahmen eines Staatsaktes in Anwesenheit Hitlers und weiterer hochstehender Persönlichkeiten aus Politik und Kultur war für den Vormittag des 6. Juni (Sonntag) vorgesehen und als Propagandaveranstaltung par excellence angelegt, über die in Rundfunk, Wochenschau und Tagespresse berichtet wurde. Der Völkische Beobachter brachte beispielsweise in der Ausgabe vom 7. Juni 1937 die Schlagzeilen „Ein Großer der Musik im Ruhmestempel der Deutschen. Der Führer ehrte Anton Bruckner“ sowie unmittelbar daneben „Adolf Hitler vor 200 000 in Regensburg. Ein starkes Bekenntnis zum Frieden auf dem Gautag der Bayerischen Ostmark“ und widmete dem Ereignis immerhin zwei Druckseiten (Münchner Ausgabe).
Die Nazi-Regierung war vertreten durch Propagandaminister Joseph Goebbels, Justizminister Franz Gürtner und Ernährungs- und Landwirtschaftsminister Richard Walther Darré; Österreich schickte seinen Berliner Gesandten Stephan Tauschitz. Weiterhin versammelten sich vor der Walhalla der deutsche Botschafter in Wien Franz von Papen, Reichsführer SS Heinrich Himmler, Reichsstatthalter General Franz Ritter von Epp, der bayerische Ministerpräsident Ludwig Siebert, der Gauleiter der bayerischen Ostmark, Fritz Wächtler, der Oberbürgermeister der Stadt Regensburg, Otto Schottenheim, zahlreiche hohe Offiziere der Wehrmacht, Mitglieder der IBG, der Präsident der Reichsmusikkammer Peter Raabe und – nicht zu vergessen – als willkommene Staffage Banner- und Standartenträger der Parteigliederungen der Bayerischen Ostmark, die politischen Leiter der Jugendverbände und Mitglieder des Arbeitsdien- [7/8] stes. Beim Eintreffen der Ehrengäste erklangen Wagner-Fanfaren. Zur Eröffnung der Feier trug ein aus 800 deutschen und österreichischen Sängern bestehender Chor Bruckners Germanenzug vor. Es folgte eine kurze Begrüßungsrede Ludwig Sieberts, in der dieser – so der Redakteur der Allgemeinen Musikzeitung Walter Abendroth – „vor allem auf die Bedeutung der [...] Walhalla als Symbol einer geistigen Einheit aller Deutschen hinwies“ (64. Jg., Nr. 25, 18. Juni 1937, S. 393) und die Walhalla offiziell der Obhut Hitlers unterstellte. Die Einheit des Deutschen Reiches beschwörend, unterstellte Siebert, es sei „die Sehnsucht aller wahrhaft Deutschen der Vergangenheit, ihre Sehnsucht nach dem großen, stolzen, einigen deutschen Vaterlande“ gewesen, die sich „in unsrer Zeit durch unsern Führer erfüllt“ habe (Ehlers 1937, S. 747). Die Verbalisierung großdeutscher Zukunftspläne fand ihren Höhepunkt in der etwa viertelstündigen Ansprache Joseph Goebbels’, in der er u. a. „Anton Bruckner als Sohn der österreichischen Erde“ als „ganz besonders dazu berufen“ erklärte, „die unauslöschliche geistige und seelische Schicksalsgemeinschaft zu versinnbildlichen, die das gesamte deutsche Volk verbindet. Es ist daher für uns ein symbolisches Ereignis von mehr als nur künstlerischer Bedeutung, wenn Sie, mein Führer, sich entschlossen haben, in diesem deutschen Nationalheiligtum als erstes Denkmal unseres Reiches eine Büste Anton Bruckners aufstellen zu lassen.“ Die „tiefe Gottgläubigkeit“ Bruckners wurzele „in dem gleichen heldischen Weltgefühl des germanischen Menschentums, dem alle wahrhaft großen und ewigen Schöpfungen der deutschen Kunst entspringen“ (Goebbels-Reden, S. 285). Darüber hinaus stellte Goebbels in seiner Rede die Weichen für die zukünftige Bruckner-Forschung, indem er sämtliche seit 1935 in der Öffentlichkeit ausgetragenen Streitigkeiten um die „originale“ Gestalt Brucknerscher Werke beendete und in seiner Eigenschaft als Präsident der Reichskulturkammer die staatliche Sanktionierung und vor allem auch Subventionierung der von der IBG herausgegebenen Bruckner-Gesamtausgabe verkündete (ebda.).
Nachdem Max Auer die neu angefertigte Bruckner-Medaille an Hitler übergeben hatte, begaben sich die Ehrengäste in die Walhalla, wo Peter Raabe die Büste zu den Klängen des vom Regensburger Domchor gesungenen Locus iste feierlich enthüllte. Die Enthüllung sowie die folgenden Kranzniederlegungen durch Hitler, Siebert, Tauschitz und Auer wurden begleitet von Ausschnitten aus Bruckners 8. Sinfonie, die die Münchner Philharmoniker unter der Leitung Hauseggers spielten. Die Aufgabe des österreichischen Botschafters Stefan Tauschitz war es dann, sich im Namen der Österreichischen Regierung für die Bruckner-Ehrung zu bedanken. Hitler verließ die Walhalla unter den Klängen des Deutschland-Liedes, des Horst-Wessel-Liedes und der Österreichischen Nationalhymne. Erst nach dem Abzug aller Ehrengäste durften die übrigen Festteilnehmer die Walhalla betreten.
In seinem Tagebuch kommentierte Goebbels am 7. Juni die Ereignisse in der Domstadt aus der Rückschau: „Regensburg: Siebert stänkert etwas gegen mich herum. Aber ich sage ihm Bescheid. Der Führer lacht sich aus. Die Feier ist sehr gut und würdevoll. Siebert spricht und ich. Die Walhalla macht auch heute noch einen imposanten Eindruck. Ergreifend, all die großen deutschen Namen zu lesen. Dieser Ludwig war doch ein Kerl. Einmal wird auch der Führer hier aufgestellt. Wohl Bismarck gegenüber. Die Domspatzen singen wundervoll. Bruckner war einer unserer ganz Großen. Wir wollen ihn nun mehr pflegen. Rückfahrt durch Regensburg. Durch ein jubelndes Menschenspalier. In dieser schwarzen Stadt. Sie werden den kürzeren ziehen, diese Klerikalen“ (Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Sämtliche Fragmente, hrsg. von Elke Fröhlich, Teil 1: Aufzeichnungen 1924–1941, Bd. 3: 1.1.1937–31.12.1939, München u. a. 1987, S. 168). [8/9]
Ein weiterer Höhepunkt des Regensburger Brucknerfestes war das vom Reichssender Berlin übertragene Konzert am Abend des 6. Juni in der restaurierten Minoritenkirche, bei dem in Anwesenheit Hitlers, Sieberts und weiterer hochrangiger Politiker auch die neue Konzertorgel erstmals erklang. In seinem Artikel über das Regensburger Bruckner-Erlebnis lieferte Paul Ehlers 1937 eine detaillierte Beschreibung des Innenraumes der Minoritenkirche, die er als idealen Aufführungsort und als „architektonisches Gegenstück“ zur Musik Bruckners bezeichnete: „Vor der Orgelwand baut sich ein riesiges Podium auf; die das Gerüst nach dem Schiff zu abschließende Holzwand, in schwärzlicher, die Maserung des Holzes abhebender Beize leicht getönt, wird von einem mächtigen schwarzen Adler vor dem Stande des Dirigenten gekrönt, als wolle dieses Sinnbild der deutschen Kraft und Hoheit die heilige deutsche Kunst Anton-Bruckner-Medaille der Internationalen Bruckner- Gesellschaft, geschnitten von Hans Wildermann 1936 (Zeitschrift für Musik, 103. Jg., H. 5, Mai 1936, nach S. 544) 9 schützen. Hinter dem Orchesterplatze steigt, die ganze Breite des Hauptschiffes und der Seitenschiffe einnehmend, die Sängerestrade empor. Die hochanstrebenden Fenster sind mit langherabwallendem Tuche verhängt, das Mittelfenster mit kupferrotem, die Seitenfenster mit grauem“ (S. 745). An der Aufführung des Te Deum unter der Leitung von Theobald Schrems waren 475 Sänger aus sämtlichen kirchlichen und weltlichen Institutionen der Stadt Regensburg beteiligt. Die 5. Sinfonie mit den Münchner Philharmonikern unter der Leitung Hauseggers erklang – selbstverständlich – in der „Originalfassung“. Im Rahmen der Festsitzung der Internationalen Bruckner-Gesellschaft im Reichssaal des Alten Rathauses am Mittag des 7. Juni wurden schließlich weitere Ehrenmedaillen an ausgewählte Förderer der Musik Bruckners – unter ihnen Ludwig Siebert, Peter Raabe, Max Auer, Siegmund von Hausegger und Gustav Bosse – überreicht. Joseph Goebbels, der an diesem Tag schon nicht mehr in Regensburg weilte, erhielt seine Ehrenmedaille erst am 18. Juni aus den Händen Peter Raabes, des Präsidenten der Reichsmusikkammer, der auch die Festrede bei der Sitzung im Reichssaal hielt. Das Bruckner-Fest kam am Abend des 7. Juni 1937 zu einem krönenden Abschluß mit Aufführungen der Sinfonien Nr. 1 unter der Leitung von Peter Raabe und Nr. 9 unter Oswald Kabasta in der Minoritenkirche. Über den Künstler der Bruckner-Büste in der Walhalla, Adolf Rothenburger, ist bis heute wenig bekannt. Geboren am 24. Januar 1883 in Frankfurt am Main, lebte und arbeitete er wohl ab den 1920er Jahren als Bildhauer in München, wo er u. a. einige Bildreliefs für das Deutsche Museum anfertigte. Der Bio-bibliographische Index des Allgemeinen Künstlerlexikons (München/ Leipzig 2000, S. 545) gibt eine letzte Erwähnung Rothenburgers „vor 1935“ an. Tatsächlich dürfte Rothenburger aber mindestens noch 1936/37 an der Bruckner-Büste gearbeitet haben. Dies legt jedenfalls eine auf den Zeitraum zwischen September/Oktober 1936 und Mai 1937 zu datierende Geschichte und Beschreibung der Walhalla und des Marktes Donaustauf [Walhalla-Beschreibung. Amtlicher Führer, hrsg. von der Walhalla-Kommission in Regensburg, o. J.] nahe, in der sich der Hinweis findet, daß die Büste Bruckners „von Bildhauer Rothenburger in München ausgeführt“ und „im Mai 1937“ enthüllt würde (S. 22). Abbildungen der Bruckner-Büste erschienen u. a. in einem „im Bruckner Jahr 1937 gelegentlich der Übernahme der Walhalla durch den Führer vom Verschönerungs- und Fremdenverkehrsverein Donaustauf“ herausgegebenen Führer durch die Walhalla und durch Donaustauf und in der Allgemeinen Musikzeitung am 2. Juli 1937 (64. Jg., Nr. 27, Titelblatt). Die Ehrung des österreichischen Komponisten Anton Bruckner blieb – überraschenderweise – die einzige, die in der Zeit des Dritten Reiches im „Ruhmestempel der Deutschen“ stattfand. Die Büste steht heute zwischen derjenigen Johann Josef von Görres’ (Aufstellung 1931) und Max Regers (Aufstellung 1948) an der Ostseite. Literatur: Christa Brüstle: Anton Bruckner und die Nachwelt. Zur Rezeptionsgeschichte des Komponisten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 1998, vor allem S. 102ff. Konzert in der Minoritenkirche am 6. Juni 1937 10 Albrecht Dümling: Der deutsche Michel erwacht. Zur Bruckner-Rezeption im NS-Staat, in: Bruckner-Probleme. Internationales Kolloquium 7.–9. Oktober 1996 in Berlin, hrsg. von Albrecht Riethmüller, Stuttgart 1999 (Beihefte zum Archiv für Musikwissenschaft 45), S. 202–214 Paul Ehlers: Das Regensburger Bruckner-Erlebnis, in: Zeitschrift für Musik 104, H. 7, Juli 1937, S. 745–748 Goebbels-Reden, Bd. 1: 1932–1939, hrsg. von Helmut Heiber, Düsseldorf 1971, S. 281–286 Stefan Maier: Die Aufstellung der Anton-Bruckner-Büste in der Walhalla 1937, in: Feste in Regensburg. Von der Reformation bis in die Gegenwart, hrsg. von Karl Möseneder, Regensburg 1986, S. 603–608 Peter Raabe: Anton Bruckner. Rede, gehalten am 7. Juni 1937 auf dem VIII. Bruckner-Fest zu Regensburg, anläßlich des feierlichen Einzuges Anton Bruckners in die Walhalla, in: Zeitschrift für Musik 104, H. 7, Juli 1937, S. 741–744 Albrecht Riethmüller: Die Walhalla und ihre Musiker, Laaber 1993