Mälzels Magazin

Zeitschrift für Musikkultur in Regensburg

Schriftzug Mälzels Magazin
Hefte1998Nr. 1
mälzels magazin, Heft 1/1998, S. 17–18
URL: http://www.maelzels-magazin.de/1998/1_08_rennerensbl.html

Wolfgang Wagner

Das Renner Ensemble Regensburg

Blickt man vom diesjährigen Deutschen Chorwettbewerb (Bericht in diesem Heft) acht Jahre zurück, so findet man unter den Preisträgern desselben Wettbewerbs von 1990 das Renner Ensemble Regensburg, das in der Sonderkategorie „Männerchöre“ den ersten Preis erhielt. Nach dem Regensburger Domorganisten und Komponisten Josef Renner jun. (1868–1934) benannt, wurde das Ensemble im Oktober 1987 von Berndt Englbrecht gegründet und formierte sich innerhalb weniger Monate zu seiner Standardbesetzung von 16 Sängern plus Dirigent Englbrecht. Ursprünglich waren alle Mitglieder ehemalige Domspatzen, die nach dem Abitur ihre erlernte Gesangskunst innerhalb eines „Ehemaligen-Ensembles“ weiter pflegen wollten. Dabei richtete sich die Intention des Ensembles von Beginn an gegen das Klischee eines Männergesangsvereins hin zu einem Männerchor, der sich als „Kammermusikalisches Vokalensemble mit gleichen Stimmen“ versteht. Die Ziele waren hoch gesteckt, denn man wollte, so der Leiter selbst, „ein hochkarätiger Klangkörper sein“ und zudem als Männerchor „einen ästhetisch verjüngten, höchst künstlerischen Anspruch erheben“. Man verfolgte dabei eine Klangvorstellung, die sich mehr am britisch-skandinavischen Chorideal orientiert als an der deutschen Tradition.

Daß dem Renner Ensemble Regensburg die Verwirklichung seiner Ziele auch gelang, beweisen nicht zuletzt die bisher errungenen Wettbewerbserfolge: Neben dem bereits erwähnten 3. Deutschen Chorwettbewerb 1990 gewann das Ensemble auch beim internationalen Chorwettbewerb der BBC „Let the People sing“ 1991 in der Kategorie für gleiche Stimmen den ersten Preis. Einen zweiten Preis erhielt das Ensemble noch im selben Jahr beim 2. Internationalen Kammerchorwettbewerb in Marktoberdorf. Beim 1. Internationalen Wettbewerb für Vokalensembles 1992 in Korntal-Münchingen errang der Chor nicht nur den ersten Preis in seiner Kategorie, sondern wurde darüberhinaus als bestes Ensemble des gesamten Wettbewerbs ausgezeichnet. 1995 gewann das Renner Ensemble Regensburg beim 27. Chorwettbewerb im spanischen Tolosa den ersten Preis in der Kategorie „Vokalensembles – geistliche Musik“. Darüberhinaus wurde das Renner Ensemble Regensburg 1996 Förderpreisträger der Ernst-von-Siemens-Stiftung, deren international besetztem Kuratorium unter anderen so bedeutende Persönlichkeiten wie Wolfgang Sawallisch, Pierre Boulez, Wolfgang Rihm und Paul Sacher angehören.

Die Ziele scheinen erreicht, was brachten bzw. bringen solche Wettbewerbserfolge dem Ensemble? – Vor allem Kontakte. So sieht Englbrecht diese Wettbewerbe vor allem auch als Kontaktbörse, die bisher zum einen das Ensemble zu Konzertreisen nach Schweden, Frankreich, Spanien, Lettland, Taiwan, Japan, Hongkong, Singapur und auf die Philippinen führte, zum anderen Kontakte zu Rundfunkanstalten herstellte. So war dies z. B. 1991 durch den oben erwähnten Wettbewerb „Let the people sing“ mit dem Bayerischen Rundfunk der Fall. Es folgten Aufnahmen, zumeist Live-Mitschnitte von Konzerten durch den Lettischen Rundfunk und den Deutschlandfunk, den Schwedischen und den Hessischen Rundfunk.

Angefangen vom ersten offiziellen Konzert im Sommer 1988 auf Schloß Theuern mit Werken von Meistern des 16. Jahrhunderts und romantischen Komponisten wie Franz Schubert und dem Namensgeber Josef Renner, hat sich auch das Repertoire, das Chorwerke für Männerstimmen quer durch die Jahrhunderte umspannt, nicht zuletzt durch die Wettbewerbe ausgeweitet. So kam ab den 90er Jahren Musik des Mittelalters mit Leonin und Perotin dazu, aber auch zeitgenössische experimentelle Musik. Auf letztere legt man heute besonderen Wert und demnach auf die persönlichen Kontakte zu György Ligeti, Peter Kiesewetter, Wilfried Hiller und Wilhelm Killmayer, dessen Eichendorff-Zyklen das Renner Ensemble beim Kissinger Sommer 1997 zur Uraufführung brachte.

Auch die Anzahl der Auftritte und Konzerte hat sich im Laufe des nun 11-jährigen Bestehens stetig erhöht, so daß in diesem Jahr der Chor etwa 25 mal öffentlich zu hören sein wird. Rechnet man zu den Auftritten die Probenarbeit und die Rundfunkaufnahmen mit ein, so stellt sich unweigerlich die Frage, wie dies zeitlich für jedes einzelne Chormitglied zu machen ist. Denn außer Berndt Englbrecht, der als Chorleiter, Komponist und Musikwissenschaftler Lehrauftrag an der Staatlichen Hochschule für Musik Würzburg sowie am Hermann-Zilcher-Konservatorium der Stadt Würzburg innehat, gehören die übrigen Mitglieder des Ensembles den verschiedensten Berufen an: Für alle und auch für Englbrecht selbst ist das Renner Ensemble Regensburg ein exzessives Hobby, das ein Maximum an persönlichem Einsatz erfordert und dazu führt, daß jeder einzelne fast die gesamte Freizeit dem Chor und damit der Musik opfern muß.

Dieser zeitliche Faktor hat insbesondere dazu beigetragen, daß von den siebzehn ursprünglichen „Renners“ aus dem Jahre 1987 nur mehr sechs im jetzt neunzehn Mitglieder zählenden Ensemble übriggeblieben sind. Jährlich werden etwa zwei bis drei Sänger meist durch Abiturienten des Domgymnasiums ersetzt, so daß sich heute Sänger im Alter von 18 bis 31 Jahren im Ensemble finden.

Wenngleich das Renner Ensemble Regensburg seine Konzerttätigkeit auf das gesamte Bundesgebiet und darüber hinaus verteilt, so gibt es jedoch als Vorbild wichtige Impulse für das Chorleben im Regensburger Raum. Nicht von ungefähr entstanden nach den Erfolgen des Ensembles weitere Gruppierungen aus dem Umfeld der Regensburger Domspatzen.

Vom Renner Ensemble Regensburg sind bislang drei CD-Aufnahmen erschienen: Richard Strauss – Männerchorwerke (1992), Christmas Collection – Weihnachtliche Vokalmusik (1994), Franz Schubert – Männerchorwerke (1996). Die vierte CD mit Werken von Schumann und Mendelssohn kommt voraussichtlich im Herbst 1998 heraus (alle bei: Ars Produktion im Vertrieb der Fono-GmbH Germany).

Für die Zukunft ist dem Renner Ensemble Regensburg zu wünschen, daß es das hohe Niveau seiner Gesangskunst beibehalten kann und damit seiner ursprünglichen Intention weiterhin gerecht wird.

© mälzels magazin 1998–2005
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