Mälzels Magazin

Zeitschrift für Musikkultur in Regensburg

Schriftzug Mälzels Magazin
Hefte1999Nr. 1
mälzels magazin, Heft 1/1999, S. 18–19
URL: http://www.maelzels-magazin.de/1999/1_09_cds.html

Stephan Beierl (sb) / Monika Angerer (ma)

CD-Besprechungen

Singer Pur: „Musik für Stimmen“

(sb) Die neue CD des mehrfach preisgekrönten Regensburger Vokalensembles „Singer Pur“ enthält auf zweifache Weise einen Querschnitt. Zum einen stammen die zwanzig Nummern aus rund fünfhundert Jahren Musikgeschichte: von Nino Le Petits Chanson „Mon amy m’avoit promis“ bis zu einer 1995 komponierten Fabelvertonung von Ivan Moody. Zum anderen stellen die ausgewählten Stücke die „Repertoire-Höhepunkte“ des 1991 gegründeten Klangkörpers dar.

Ein Schwerpunkt liegt auf modernen Kompositionen (Moodys „Le renard et le buste“ ist sogar ein Auftragswerk). Hier ragt vor allem das äußerst witzige „Time Piece“ von Paul Patterson aus dem Jahr 1972 heraus. Der parodierte Bibeltext über Adam und Eva und die Erschaffung der Welt wird mit verschiedensten Mitteln (z. B. ungewöhnliche vokale Laute oder Händeklatschen) einfallsreich und bildhaft dargestellt. Das experimentelle Moment dieses Stücks kommt den Sängern offensichtlich sehr entgegen.

Interessant gestalten sich auch (z. T. eigene) Bearbeitungen von Chormusik aus verschiedenen Epochen. Besonders stimmungsvoll sind dabei Rheinbergers „Abendlied“ und Brahms’ „Abendständchen“ gelungen, hier kommt der angenehme und harmonische Männerstimmen-Klang sehr gut zum Tragen. Für die ungewöhnliche Besetzung (Sopran, drei Tenöre, Bariton, Baß) bietet auch die Renaissancemusik eine reiche Auswahl. Herausragend wird hier Lassos sprachspielerisches „Allala, pia calia“ interpretiert.

Aber auch der Jazz kommt nicht zu kurz, er bildet sogar eine musikalische Klammer auf der CD: ein Arrangement von „Wonderful World“ zur Eröffnung, eine eigene Bearbeitung von „Lil’ Darlin“ zum Abschluß.

Es ist bei dieser Vielfalt an Musikrichtungen schon bewundernswert, wie einfühlsam und stilecht die sechs Musiker ihre Programm präsentieren. Auch Höchstschwierigkeiten, wie sie z. B. in Ligetis „Flying Robert“ (nach dem „Struwwelpeter“) im harmonischen Bereich gehäuft auftreten, werden souverän gemeistert.

Insgesamt stellt die CD sicherlich eine Bereicherung für jede gut sortierte Sammlung dar, wobei Liebhaber aller Musikrichtungen auf ihre Kosten kommen.


Paganini für Violine und Gitarre

(ma) Hätten Sie gewußt, daß der Geigenvirtuose Niccoló Paganini die Gitarre ebenso brillant beherrschte? Dem sehr knapp gehaltenen Booklettext kann man entnehmen, daß Paganini in der Öffentlichkeit ausschließlich der berühmte Geiger sein wollte, im stillen Kämmerlein jedoch mehr Kompositionen für und mit Gitarre als für Violine alleine verfaßte.

Aus diesem Repertoire stammen die Stücke der CD-Einspielung von Tilmann Kay (Violine) und Milorad Romic (Gitarre). Kay studierte Violine bei H. Lewkowicz, R. Kussmaul und U. Dierik und ist derzeit Mitglied des Philharmonischen Orchesters Regensburg. Romic studierte klassische Gitarre in Belgrad, dann bei G. Balestra, A. Borghese und J. Bizantin und lebt seit einigen Jahren in Regensburg.

Die meisten Titel dieser Musik in ungewohnter Besetzung sind einer Sammlung von 18 Sonaten für Violine und Gitarre entnommen, die wohl 1828 in Prag entstand. Hauptsächlich handelt es sich um gefällige, unspektakuläre Musik, bestehend aus lyrischer Violinstimme mit obligater Gitarrenbegleitung.

Der Klang der Aufnahme ist nicht optimal, da die Geige relativ scharf und trocken wirkt, während die Gitarre voll und eher dumpf klangvoll daherkommt. Ob das an den Instrumenten selbst oder der Abmischung im Tonstudio liegt, ist unklar. In den getragenen Sätzen ist dieser Effekt abgemildert, hier kann man sich mehr auf die einfühlsam miteinander musizierenden Interpreten konzentrieren. Vor allem in den schnellen Sätzen läßt sich in den hohen Lagen der Geige die eine oder andere unsaubere Schärfe nicht verleugnen. Leider hat der Gitarrist in den meisten Stücken nur begleitende Funktion, kann also seine Virtuosität nicht voll ausspielen, doch das liegt natürlich in der Natur der Stücke.

Zum spannendsten Teil der CD gelangt der Hörer am Ende: Die Sonata concertata A-Dur bringt größere Klangabwechslung. Hier darf Milorad Romic sein ganzes Können und den warmen Klang seines Instruments zur vollen Geltung bringen. Soloparts und Begleitung beider Instrumentalisten wechseln in kurzen Phrasen ab. Dieser musikalisch und einfallsreich dargebrachte Dialog bietet dem Hörer puren Genuß. Alles in allem eine gelungene Einspielung und vor allem ein interessantes Projekt – aber hätte es nicht mehr Stücke für Violine und gleichberechtigt konzertierende Gitarre im Paganinifundus gegeben?


Musica Antiqua Ambergensis: O Sinne min

(ma) Seit 25 Jahren befaßt sich das Ensemble Musica Antiqua Ambergensis unter der Leitung von Dr. Helmut Schwämmlein mit Musik des Zeitraums von 1200–1630. Das Ensemble besteht aus zwölf hochkarätigen Vokal- und Instrumentalsolisten, alle Spezialisten auf ihrem Gebiet, und hat zu diesem Jubiläum eine neue CD vorgelegt.

Wie gewohnt, werden ausgewählte Kompositionen thematisch eingebettet. Diesmal dreht sich alles – korrespondierend zu Darstellungen auf einem Bildteppichzyklus aus dem 15. Jahrhundert (La Dame à la Licorne, Musée du Moyen-Age, Cluny) – um die menschlichen Sinne: Hören, Sehen, Schmecken, Riechen, Berühren. Schwämmlein stellt den Teppichen, die ganzseitig im Booklet abgebildet sind, „sinnvolle“ Kompositionen aus Mittelalter und Renaissance gegenüber.

Nun zu ein paar Kostbarkeiten der umfangreichen Aufnahme: Ein gutes Beispiel für die Höchstqualität des Ensembles bietet die dreiteilige Trauermotette von Josquin Desprez zum Tode seines Komponistenkollegen Johannes Ockeghem (1497) – zu finden unter der Kategorie Hören. Dieses Vokalquartett mit Instrumenten bringt alle Fähigkeiten des Ensembles zur Geltung: Lupenreinen vierstimmigen Gesang dezent und pointiert begleitet von den Instrumentalisten, die auf ihren historischen Instrumenten den geraden Klang der Stimmen unterstützen, ohne „Löchermusik“ zu produzieren. Beim Thema handelt es sich hauptsächlich um Trinklieder, so auch beim instrumentalen Tanzsatz Sauff aus und machs nit lang (Hermann Finck, 1527–1558). Hier wird in fünf Durchgängen die Melodie mit (fast) allen mittelalterlichen Instrumenten vorgeführt, welche die MAA zu bieten hat (von Viola da Gamba bis Crwth). Robins m’aime, Robins m’a aus dem Schäferspiel Le jeu de Robin et Marion von Adam de la Halle (13. Jahrhundert) mag Kenner der Kammerchorliteratur aufhorchen lassen. Denn zu dieser Melodie existiert ein relativ bekannter Chorsatz von Jakob Christ, unterlegt mit dem mittelalterlichem Text Komm, komm Geselle mein. Neben einigen Perlen aus dem Werk John Dowlands – die Solisten Bettina Haubold (Sopran) und Hans-Dieter Zanke (Tenor) interpretieren ihre Parts so gut und eindringlich wie immer – findet der Mittelalter-Musikfan auch auf dieser neuen CD der Musica Antiqua Ambergensis wieder viel Interessantes und Unbekanntes, perfekt und mit allen Sinnen musiziert, zu entdecken.

© mälzels magazin 1998–2005
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