Kurt Schmidl
Der Musikverein Regensburg e.V. feiert sein 150jähriges Jubiläum
Anfang 1848 fand sich auf Anregung des Regierungsmedizinalrats Dr. Schreyer ein Kreis von Liebhabern der Instrumentalmusik zu gemeinsamem Musizieren in dessen Wohnung bzw. einem gemieteten Lokal mehrfach zusammen. An die Öffentlichkeit trat dieser Dilettanten-Musik-Verein, wie er sich schließlich nannte, zum ersten Mal im November 1848. Im Gasthaus zum Goldenen Ritter bot er Familienangehörigen und Freunden ein musikalisches Beisammensein: Man musizierte entweder selbst oder hörte zu und tanzte.
Weitere Aufführungen und die Pflege des gesellschaftlichen Lebens machten diese Musikvereinigung vor allem für jüngere Bürger attraktiv. Der Zulauf war schließlich so groß, daß die Gründung eines eingetragenen Vereins mit entsprechenden Statuten beschlossen wurde, um den Beitritt regulieren zu können. Aus der Taufe gehoben wurde schließlich die Gesellschaft Musikverein in Regensburg in einer Generalversammlung am 14. April 1849. Vorsitzender wurde Dr. Schreyer, und der in Paragraph 1 der Statuten beschriebene Zweck des Vereins lautete: „Die Gesellschaft hat den Zweck, durch musikalische und andere gesellige Unterhaltungen zu erheitern.“ Bereits im Mai 1849 fand dann das erste öffentliche Konzert im großen Neuhaussaal statt.
Der Musikverein blieb über eine Reihe von Jahren ein Liebhaber-Orchester, das erst allmählich den Weg in die Öffentlichkeit fand und neben musikalischen Darbietungen auch gesellige Veranstaltungen anbot. Nach und nach wurde dann die Zusammenarbeit mit anderen ortsansässigen Kräften, insbesondere mit Theater- und Militärmusikern gesucht. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden jedoch schon zunehmend auswärtige Kräfte engagiert, und zur Jahrhundertwende gab es kaum mehr Auftritte von hiesigen ‚Dilettanten‘. Von diesem Zeitpunkt an wurde der Musikverein zum Konzertveranstalter.
Das Konzertangebot des Musikvereins war sehr vielfältig. Neben der Aufführung großer Sinfonien mit bedeutenden Orchestern erhielten auch Gesangs- und Instrumentalsolisten aus dem In- und Ausland Engagements. Die gesellige Unterhaltung trat mehr und mehr in den Hintergrund, und in der 1908 neu formulierten Satzung verpflichtete sich der Musikverein „durch Veranstaltung von Konzerten künstlerischer Art das Verständnis und die Pflege der Musik zu fördern“. Dieser Verpflichtung ist er bis heute treu geblieben.
So war seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert im Neuhaussaal und im Velodrom eine Reihe von mittlerweile legendären Interpreten zu hören. In den Konzertprogrammen findet man beispielsweise den Teufelsgeiger Pablo de Sarasate (1886), den Brahms-Freund Joseph Joachim (1889), den Tastenlöwen Eugen d’Albert (1889) sowie die Cellisten Pablo Casals (1911) und Enrico Mainardi (1934). Max Reger gastierte gleich dreimal (1904, 1905 und 1913) als Kammermusiker und Liedbegleiter im Rahmen der Musikvereins-Konzerte. Große Ereignisse waren natürlich auch die Orchesterkonzerte, unter denen ein Abend mit den Münchner Philharmonikern unter der Leitung von Hans Pfitzner im Jahre 1934 hervorgehoben werden kann.
Bis zum Ende des 2. Weltkrieges konnte der Musikverein mit seiner Vielfalt an Konzertveranstaltungen eine dominierende Rolle im Musikleben der Stadt Regensburg spielen. Danach entstanden allmählich weitere eigenständige Konzertreihen, unter denen der Musikverein mit dem Schwerpunkt auf der Kammermusik sein Profil gefunden hat. Mit dem Slogan „Bei uns ist die Kammermusik zu Hause“ widmet er sich heute der Pflege und Förderung dieser Musikgattung und bietet seit mehr als 90 Jahren zwischen 8 und 10 Konzerten je Saison an.
Ein besonderes Interesse des Musikvereins lag schon immer darin, Werke zeitgenössischer Komponisten und solchen aus der jüngeren Vergangenheit in sein Programm aufzunehmen. Wie einst dem Regensburger Publikum die aktuellenKompositionsströmungen mit Werken von Brahms, Dvorák, Reger, Janácek und Bartók nahegebracht wurden, so wird es heute mit Kompositionen von Kurtág oder Zender konfrontiert. Dabei bietet man dem Publikum die Gelegenheit, durch Gespräche mit Interpreten und Komponisten den Zugang zu der manchmal schwer verdaulichen Kost zu erleichtern.
Bei der Auswahl der Künstler legt der Musikverein Wert darauf, daß neben zugkräftigen Ensembles vor allem junge begabte deutsche Solisten und Kammermusikvereinigungen die Gelegenheit zu einem Auftritt in Regensburg erhalten. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Musikrat erhält daher in jeder Saison mindestens ein Ensemble aus der Bundesauswahl Konzerte Junger Künstler eine Einladung zu einem Konzert beim Musikverein.
Außerdem bemüht sich der Musikverein seit zwei Jahren darum, jeweils ein Konzert von einem Ensemble bestreiten zu lassen, in dem ein Mitglied aus Regensburg stammt. In der vergangenen Saison war es Sabine Pfeiffer mit dem Nomos-Quartett, in der neuen Saison wird es der Bariton Thomas E. Bauer mit der Pianistin Uta Hielscher sein.
Schließlich ist es ein Anliegen des Musikvereins, neben deutschen Künstlern vor allem solche aus den benachbarten östlichen Ländern zu engagieren. Zuletzt waren in der Saison 1998/99 das Wihan-Streichquartett und das Bläserquintett Academia Prag zu Gast, in der Saison 1999/2000 wird das Panocha-Quartett Prag diese Tradition fortsetzen.
150 Jahre lang das Musik- und damit das Kulturleben der Stadt Regensburg entscheidend zu bereichern war aber nur möglich, weil immer wieder Bürger dieser Stadt bereit waren, ehrenamtlich den Musikverein zu führen und eine genügend große Zahl von Musikliebhabern für die Kammermusik zu begeistern. Bei dem äußerst vielfältigen Angebot an musikalischen Veranstaltungen in Regensburg und dem Umland ist das heute ein sehr schwieriges und arbeitsaufwendiges Unterfangen. Trotzdem war und bleibt es das Bemühen der Vorstandschaft, ein möglichst attraktives Konzertprogramm anzubieten.
Für das Festkonzert zum 150jährigen Jubiläum am Samstag, den 16.10.1999 um 19.30 Uhr im Wolfgang-Saal der Regensburger Domspatzen konnte das Münchner Kammerorchester gewonnen werden.
Folgende Werke stehen auf dem Programm:
Paul Hindemith: 5 Stücke für Streichorchester op. 44 Nr. 4
Richard Strauss: Metamorphosen, Studie für 23 Solostreicher
Peter Tschaikowsky: Serenade für Streichorchester op. 48 C-Dur
Für alle, die sich eingehender über die Geschichte des Musikvereins informieren wollen, ist kürzlich eine Festschrift zum Jubiläumsjahr erschienen. Die einzelnen Beiträge befassen sich u. a. mit dem lokalhistorischen Umfeld der Entstehungszeit des Vereins (Dieter Albrecht), den Möglichkeiten eines Konzertlebens während des Dritten Reiches (Peter Pinkatschek), der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die Gegenwart aus der Sicht der Musikkritik (Thomas Emmerig) und den vielfältigen Aspekten des Vereinslebens, der Konzertformen und der Programmgestaltung einst und heute (Gerhard Dietel). Abgerundet wird der Band durch Interviews mit Musikvereinsmitgliedern, die auf ganz persönliche Weise auf mehrere Jahrzehnte Vereinsgeschichte zurückblicken können.