Stephan Beierl
Das Orchester am Singrün
Es war im Februar 1986, als sich einige ehemalige Mitglieder des Universitätsorchesters zusammentaten und beschlossen, weiterhin miteinander zu musizieren. Daß sich aus diesem edlen Vorhaben einmal „Regensburgs sympathischstes Orchester“, wie es ein Kritiker einmal nannte, entwickeln würde, konnte damals noch niemand ahnen. Das erste Konzert in einer zwölf Musiker umfassenden Kammerorchesterbesetzung fand aber sofort eine derartige Resonanz, daß der ursprüngliche Probenraum in der Goldenen Bärenstraße aufgrund des starken Zulaufs nicht mehr ausreichte. Eher zufällig fand man Unterschlupf im Bischöflichen Studienseminar am Singrün, woraus sich auch der etwas ungewöhnliche Name des Laienorchesters herleitet. Seit 1990 probt man im Don-Bosco-Heim in der Hans-Sachs-Straße.
Im Sommer 1987 war die Mitgliederzahl bereits so weit angewachsen, daß man im gut gefüllten Neuhaussaal mit Schuberts Unvollendeter und Mendelssohns Violinkonzert auftreten konnte. Auf den Dirigenten war man über persönliche musikalische Kontakte gestoßen: Der Flötist und Leiter des Siemens-Orchesters München Reinhard Klink konnte für das ehrgeizige Unterfangen gewonnen werden. Mit der Kanadierin Jennifer Brown stand zwischenzeitlich sogar eine studierte Dirigentin zur Verfügung. Momentan leitet der Komponist, Oboist und Dirigent Lutz Landwehr von Pragenau die Geschicke des Orchesters, dessen „hoher künstlerischer Anspruch für das Orchester immer eine neue Herausforderung“ bedeutet.
Ein Höhepunkt in der noch jungen Geschichte des Orchesters war sicherlich das Jubiläumsjahr 1996, als es „in Anerkennung seiner besonderen künstlerischen Leistung auf dem Gebiet der Musik“ den Kulturförderpreis der Stadt Regensburg verliehen bekam.
Das Orchester hat sich durch seine Konzerte inzwischen in ganz Ostbayern einen Namen gemacht. Neben dem obligatorischen Heimspiel in Regensburg – vor der Sanierungsphase im meist ausverkauften Neuhaussaal – gastierten die Musiker u. a. in Roding, Grafenau, Viechtach und sogar im Münchner Herkulessaal. Die Kritiker überschlagen sich meist vor Begeisterung: „Eindrucksvolle Steigerungen“, „eine prachtvolle Leistung“ und „helle Musizierfreude“ werden dem Orchester hier attestiert. Ein Rezensent schlägt ob der familiären Fußballstadionatmosphäre mit jubelnden Fans bei den Konzerten sogar das Münchner Olympiastadion als Austragungsort des nächsten Auftritts vor ...
Ein „Geheimnis“ des unumstritten hohen Niveaus der Konzerte liegt sicher im Probenrhythmus. Man teilt das Jahr – ein Überbleibsel aus der Studienzeit – in zwei Semester ein, in denen jeweils ein Programm erarbeitet wird. Da sehr viele Mitwirkende von weit her anreisen müssen, trifft man sich einmal im Monat zu einem Probenwochenende. Von Freitag bis Sonntag werden die angesetzten Stücke intensiv einstudiert. Daß an diesen Wochenenden die gesellschaftliche Komponente nicht zu kurz kommt, versteht sich von selbst ...
Erwähnenswert ist sicherlich, daß alle im Orchester zu erledigenden Aufgaben – vom Notenwart über die Programmheft- und Plakatgestaltung bis hin zum Plakatieren – von den Musikern selbst übernommen werden. Anstehende Entscheidungen, wie etwa die Programmauswahl, werden in demokratischer Abstimmung getroffen.
Im Laufe der Zeit ist es fast zur Tradition geworden, im Konzertprogramm jeweils ein Solokonzert darzubieten. Oftmals wird hier jungen Musikern aus der Region die Gelegenheit geboten, ihr Können unter Beweis zu stellen, wie seinerzeit dem Pianisten Stefan Mickisch aus Schwandorf, der sich inzwischen in der Musikwelt einen Namen gemacht hat (1990: 2. Klavierkonzert von F. Chopin; 1995: 4. Klavierkonzert von L. v. Beethoven). Aber auch mit einigen bereits etablierten Profis wurde schon musiziert, etwa mit Wen-Sinn Yang, dem 1. Cellisten im BR-Symphonieorchester (1994: Doppelkonzert von J. Brahms) oder mit Christoph Well, einem Mitglied der Biermösl-Blosn (1993: Trompetenkonzert von J. Haydn).
Im Mittelpunkt der Konzerte steht jedoch meist eine große Sinfonie. Neben Werken von Beethoven, Haydn, Schumann und Bruckner zierte im Jubiläumsjahr 1996 Tschaikowskys Pathétique das Programm. In letzter Zeit legt man das Augenmerk verstärkt auf die Musik des 20. Jahrhunderts; beispielsweise wurden der Essay for Orchestra von Samuel Barber, das Saxophonkonzert von Alexander Glasunov, die Times Square Music des künstlerischen Leiters von Pragenau oder kürzlich Brittens Serenade für Tenor, Horn und Orchester erfolgreich zur Aufführung gebracht. Auch für das kommende Konzert am 12. März 2000 um 20 Uhr in der Dreieinigkeitskirche hat man sich wieder einiges vorgenommen: Neben Beethovens 1. Sinfonie steht Hindemiths Sinfonie nach der Oper Mathis der Maler auf dem Programm.
Das Orchester am Singrün ist inzwischen aus dem Musikleben der Stadt Regensburg nicht mehr wegzudenken. Die große und enthusiastische Fangemeinde bezeugt dies eindrucksvoll. Dabei ruht man sich nicht auf den erworbenen Lorbeeren aus, sondern strebt immer nach neuen „Schritten zur künstlerischen Entfaltung“: Im Jahr 2000 ist ein gemeinsames Konzert mit dem Regensburger Kammerchor geplant.