Claus Lochbihler
Ein Gespräch mit Winnie Freisleben vom Jazzclub Regensburg
Konzerte im Lokschuppen der Music Academy, die Piano-Bar von Lamine Thior im Hansa-Hotel, Juliane Zitzlspergers kuscheliges Jazz-Wohnzimmer ... Wer Jazz und seine Ableger gerne live hört, hatte dazu vor allem letzte Saison in Regensburg noch reichlicher Gelegenheit als sonst: Der Jazzclub als unangefochtene Nr. 1 und die Alte Mälzerei mit ihren immer wiederkehrenden Jazz-Gastspielen fanden sich als Veranstalter plötzlich in geselliger Runde wieder, das Konzertprogramm war noch bunter, vielfältiger und – mit faszinierenden Veranstaltungs-Freaks wie Juliane Zitzlsperger – auch irgendwie persönlicher geworden.
Gilt also auch im Jazz: Konkurrenz belebt das Geschäft? Oder trifft doch das Gegenteil zu: Daß sich in einer Stadt von der Größe Regensburgs mehrere Veranstalter existenzgefährdend im Wege stehen müssen, weil das jazzinteressierte Publikum einfach zu klein ist, als daß ein Doppelkonzertabend mit Beverly Daley im Lokschuppen und Johannes Enders im Atelier Zitzlsperger für beide Seiten glimpflich über die Bühne gehen könnte?
Winne Freisleben, einer der Gründerväter des Jazz-Clubs, sieht die Sache eher gelassen: Er gibt zwar unumwunden zu, daß er Joe Zawinul unlängst lieber im Leeren Beutel als in der Alten Mälzerei gesehen hätte, aber grundsätzlich sei er über jeden „Wahnsinnigen“ froh, der „Kultur jenseits der Event-Schiene“ mache. Er bringe daher allen Veranstaltern große Sympathie entgegen: Die Music Academy sei auf Konzerte schon allein wegen der damit verbundenen Außenwirkung auch für die Musikschule, der er großen Erfolg wünsche, angewiesen; Lamine Thior betreibe mit den ihm eigenen Kontakten im Hansa-Hotel „eine ganz eigene Sache“, und im übrigen gebe es in Regensburg – von seltenen Ausnahmen abgesehen – keine ‚Rosinenpicker‘, die sich nur um kommerziell interessante Veranstaltungen im Umfeld des Jazz bemühten. Daß Juliane Zitzlsperger erst mal keine Konzerte mehr veranstaltet, findet er schade.
Dennoch hält Freisleben drei miteinander konkurrierende Konzerte an einem Abend nicht nur für ärgerlich, sondern für eine „Katastrophe“, die durch eine bessere Abstimmung unbedingt vermieden werden müsse. Dazu seien im Prinzip auch alle bereit, aber in der Praxis sei dies oft nicht möglich: Nicht selten müsse man sich so schnell für einen Künstler und einen Termin entscheiden, daß die Abstimmung mit anderen Veranstaltern eben doch unter den Tisch falle. Sollte die Musikschule ähnlich wie der Jazzclub pro Woche drei bis vier Konzerte veranstalten, sei eine bessere Abstimmung jedoch unverzichtbar.
Des Jazzclubs bester Konkurrent ist nach Freislebens Ansicht aber noch immer der Jazzclub selbst: Um der hiesigen, stilistisch ausdifferenzierten und in den letzten Jahren enorm angewachsenen Szene ein angemessenes Forum zu bieten, veranstalte der Jazzclub oft mehr Konzerte als dies – wie sich im nachhinein herausstellt – verträglich sei. Diese Bereitschaft zum (kalkulierten) Risiko sei sich der Jazzclub von seinem Selbstverständnis her jedoch schuldig, betont Freisleben.
Ansonsten ist Freislebens Sicht auf das Regensburger Jazz-Leben nicht von Konkurrenz-, sondern Kooperationsdenken geprägt. Seine Lieblingsidee ist die netzwerkartige Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Säulen, auf denen der Jazz in Regensburg ruht: Zu allererst die Jazz-Musiker, desweiteren die Jazz-Abteilung an der Städtischen Musikschule, das Bayerische Jazz-Institut, die Music Academy, die ‚Jazz-Zeitung‘ und last not least der Jazzclub selbst – eine Vielfalt an „Standbeinen in Sachen Jazz“, die „einzigartig“ sei und Regensburg zu einer veritablen „Jazz-Stadt“ mache.
Einen Bedarf für ein Jazz-Festival der großen bekannten Namen – zusätzlich zum altbewährten Jazzweekend – sieht Freisleben deshalb aber nicht. Jedenfalls nicht für den Jazzclub. Das Schicksal des von Power Concerts auf die Beine gestellten „Kultur-Zelt“-Festivals mit seinem ansprechenden Programm zeige das hohe Risiko auf, das mit solchen Festivals für den Veranstalter verbunden sei. Das Scheitern eines solchen Unternehmens könnte für den Jazzclub auf ein unfreiwilliges ‚Harakiri‘ hinauslaufen, das den Club im Extremfall als Ganzes sogar in Frage stellen könnte, warnt Freisleben. Die Aufgaben des Jazzclubs sieht er eher in „kleineren Sachen“ – z. B. thematischen Konzertreihen – und dem Bemühen um eine „nachhaltige Entwicklung“, mit der sich der Leere Beutel – das „Markenzeichen“ für Jazz in Regensburg – ebenso bewähren könne.
Große Hoffnungen setzt Freisleben und mit ihm der Jazzclub, der mit 700 Mitgliedern vom „Kaninchenzüchterverein“ ebenso weit entfernt ist wie vom elitären Zirkel, auf den neuen Kulturreferenten. Freisleben lobt Klemens Unger fast schon überschwenglich als einen Mann mit „Weitblick“ und „offenem Geist“, der sich mit „Herz und Gefühl“ für den Jazz einsetze, weil er klar erkannt habe, daß diese Musikrichtung absolut im Kommen sei. Gemeinsam werde man demnächst über Vorschläge nachdenken, wie das Jazzweekend weiter verbessert werden kann: Nicht als neues „Jazz Saalfelden“, sondern in seiner angestammten Form als „großes, aber doch intimes Festival“. Mehr will der ebenso freudig wie verschmitzt wirkende Freisleben noch nicht verraten. Man darf also gespannt sein ...