Mälzels Magazin

Zeitschrift für Musikkultur in Regensburg

Schriftzug Mälzels Magazin
Hefte1999Nr. 4
mälzels magazin, Heft 4/1999, S. 18–19
URL: http://www.maelzels-magazin.de/1999/4_08_cdtip.html

CD-Tip: „Jazz Clarinet“

Stephan Holsteins neue Einspielung

Der Klarinettist und Saxophonist Stephan Holstein wohnt zwar nicht in Regensburg, sondern in Augsburg, spielt aber so oft und schon so lange mit hiesigen Musikern wie Helmut Kagerer und Helmut Nieberle (auf CD: Clarinet Jazz Trio, Live at Birdland/Neuburg), daß er fast schon zur Regensburger Jazz-Szene gehört.

Wer Holstein vor allem als Klarinettisten schätzt, ist mit seiner neuesten Einspielung auf Thomas Stabenows feinem Label Bassic Sound sehr gut bedient: Unter dem Motto „Weniger kann mehr sein“ überträgt der 36jährige Musiker das Format des pianolosen Bläser-Trios, wie es unter anderem von Sonny Rollins und Coltrane entwickelt wurde, auf die Klarinette – eine Art Premiere, auch für Jazzhörer, die Jimmy Giuffres spannende Trio-Aufnahmen mit dem Gitarristen Jim Hall und dem Posaunisten Bob Brookmeyer aus den 60er Jahren kennen.

Daß die Klarinette auf ein akustisches Biotop angewiesen ist, um zwanglos und ungehetzt ihre klanglichen Reize ausspielen zu können, weiß vielleicht niemand so gut wie Stephan Holstein. Er hat sich daher für diese Einspielung mit einer ‚working band‘ von Super-Akustikern zusammen getan, die ein Maximum an Transparenz, Sensibilität und Interaktion garantieren:

Am Bass ist mit Thomas Stabenow nicht nur Holsteins ‚Plattenboss‘, sondern einer der besten deutschen Bassisten vertreten, der auch maßgeblichen Anteil an den gewitzt und individuell zugeschnittenen Arrangements hat.

Am Schlagzeug ergänzt ein europäischer Top-Schlagzeuger mit viel Besenarbeit Stabenows stets essentielle Bassläufe zu einem leichtfüßig pulsierenden Swing: John Engels. Holstein schätzt an Engels (*1935), der in seiner holländischen Heimat den Ruf eines europäischen Mel Lewis genießt, dessen „melodisches Gespür“ und eine in langer Improvisationserfahrung erwachsene „Ahnung, wo es“ – solistisch oder im Gruppenganzen – „im nächsten Moment lang geht“.

Und weil auch auf dieser schönen Einspielung aller guten Dinge nicht immer drei sein müssen, ist mit Hermann Breuer ein ‚Special Guest‘ mit von der Partie, der das Trio auf vier Nummern (Monks Blues Five Spot, Ellingtons hymnisches Come Sunday, Lover Man und Beautiful Love) zum Quartett erweitert. Breuer, der in Regensburg schon zweimal mit der Sängerin Beverly Daley am Klavier zu hören war, spielt hier auf seiner etwas ruppig klingenden Posaune ‚Guidelines‘, die immer wieder an das ebenfalls pianolose Zusammenspiel von Gerry Mulligan und Chet Baker in den 50er Jahren erinnern: „Geleitschutz“ für Holsteins „risikoreichen Exkurs durchs improvisatorische Dickicht“, wie R. Köchl in den liner notes zu dieser Einspielung anmerkt.

Wer von dieser avantgardistischen Besetzung auch avantgardistische Interpretationen alter Jazzstandards und postmodern-dekonstruktivistische Spielchen erwarten sollte, liegt übrigens falsch: Holstein, Stabenow, Engels und Breuer suchen und finden die Schönheit von zeitlosen Klassikern wie Loverman, Tenderly oder Cole Porters betörendem My heart belongs to daddy immer noch in und nicht vorwiegend zwischen den Tönen. Was bei Holsteins lebendigem, herrlich rundem Ton auch jammerschade wäre ...

Stephan Holstein: Jazz Clarinet (Bassic Sound 017) Vertrieb: sunny moon, Kirchstr. 40, 79100 Freiburg, Tel. 07 61 / 7 86 22, Fax 07 61 / 7 88 61