Juan Martin Koch und Claus Lochbihler
Ein Gespräch mit dem Regensburger Kulturreferenten Klemens Unger
Mälzels Magazin: Vor einiger Zeit wurde im Stadtrat die provokante Frage gestellt, ob man die Referenten aus Kostengründen nicht auf den früher üblichen Dezernentenstatus zurückstufen sollte. Wie nutzen Sie den größeren Spielraum, den Ihnen Ihre Funktion bietet?
Klemens Unger: Ich sehe die Referentenstelle als eine Plattform mit der Möglichkeit, nach außen aufzutreten, andererseits die Intentionen und Konzepte voranzutreiben. Die Entscheidung für den Referentenstatus, die vor noch nicht allzu langer Zeit getroffen wurde, sollte man nicht gleich in Frage stellen, sondern erst einmal die Spielräume voll ausschöpfen. In der Anfangsphase will ich anstehende Projekte sauber über die Bühne bringen, was vor allem die Millenniumsfeiern betrifft. Außerdem möchte ich im ersten Jahr mehr ein Hörender und Sehender sein, der nach einer Beobachtungsphase im Benehmen mit dem Stadtrat konkrete Maßnahmen durchführt.
M.M.: Wie sehen Sie dabei Ihre Prioritäten?
Unger: Neben dem Alltagsgeschäft, wozu in gewisser Weise auch die Abwicklung des bereits konzipierten Festes der Bayern gehört, möchte ich Schwerpunkte setzen: erstens die Rolle Regensburgs an der Donau und in Europa. Im Zuge der politischen Veränderungen der letzten zehn Jahre, insbesondere durch die Wiedervereinigung, hat die Stadt eine Bedeutung erhalten, der sie sich besonders im Kulturellen noch nicht voll bewußt ist. Zweitens möchte ich trotz dieses europäischen Blickes das Typische an Regensburg herausarbeiten und dabei drittens Kultur nicht ausschließlich als etwas Elitäres, etwas neuzeitlich-experimentelles verstehen, sondern als Chance für alle Bildungs- und Altersschichten. Mittelfristig sollen seitens der Stadt einzelne Themen vorgegeben werden, die nicht allzu eng auszulegen wären, sondern Richtschnur sein sollen für die Aktivitäten, an denen sich alle beteiligen können.
M.M.: Also jedes Jahr eine Art Motto?
Unger: Genau. Zum Beispiel hat die Deutsche Zentrale für Tourismus für das Jahr 2001 das Thema Romanik ausgerufen mit den Schwerpunkten Speyer und romanische Straße in den neuen Bundesländern. Köln und Regensburg waren nicht vertreten. Auf diesen Zug wollen wir nicht nur im Touristischen aufspringen, sondern das Thema Romanik auch nach innen präsentieren. Kultur sollte aber immer auch einen aktuellen Aspekt haben. So bietet sich für 2001 das Thema „Musik und Mittelalter“ an. Wenn wir das mit anderen Anlässen verknüpfen – 25 Jahre Jazz-Weekend, Wiedereröffnung des Stadttheaters oder die Musik- und Medientage – so ergeben sich Synergieeffekte, die es zu nutzen gilt. Man könnte etwa verschiedenartige Musik an romanischen Aufführungsstätten anbieten.
M.M.: Ein solches inhaltliches Profil, wie Sie es hier für nächstes Jahr andeuten, vermißt man beim „Fest der Bayern“, das uns demnächst erwartet.
Unger: Das sehe ich anders. Das Fest der Bayern hat zugegebenermaßen aufgrund verschiedener Anlaufschwierigkeiten lange nicht das Profil gehabt, das es haben sollte. Inzwischen steht das Programm zu 95 Prozent. In den kommenden Wochen werden wir mit dem vollständige Konzept an die Öffentlichkeit treten.
M.M.: Und das wird klarer sein, als der Eindruck, den man bisher etwa mit Hilfe des Millenniums-Kalenders gewinnen konnte?
Unger: Selbstverständlich, der Kalender hatte im August letzten Jahres Redaktionsschluß. Ich wage zu sagen, daß ein Konzept herauskommen wird, mit dem wir Bayern bunt, vielfältig, traditionsreich, modern und für die unterschiedlichen Zielgruppen in Musik, Theater und Unterhaltung repräsentieren werden.
M.M.: Wie sieht ihre Bilanz des Kultursommers am Haidplatz aus, und welche Perspektiven sehen sie für diese Veranstaltung?
Unger: Ich lege mich nicht fest, aber der Haidplatz ist ein favorisierter Platz. Wir haben hier die Infrastruktur für eine perfekte Logistik, die woanders, etwa am Neupfarrplatz nicht vorhanden ist. Wir werden uns bemühen, mit dem Theater und den bisherigen privaten Veranstaltern eine Kooperation anzugehen. Es wird Schwerpunkte geben, Opernaufführungen und Konzerte von außen. Da verteilen wir die Risiken, Aufgaben und Renditen. Im Lauf der nächsten Jahre soll das finanzielle Engagement der Stadt deutlich zurückgefahren werden. Durch das Streichen des Schauspiels wird für 2001 das Defizit deutlich niedriger sein als zunächst geplant.
M.M.: Reizthema Stadthalle: wie stehen Sie zur aktuellen Diskussion?
Unger: Wir können sehr gut einen attraktiven Veranstaltungsraum in der Altstadt brauchen. Die Bürger/-innen werden davon profitieren und sich damit identifizieren, auch das gesellschaftliche Leben würde dadurch einen deutlichen neuen Akzent bekommen. Andererseits werden wir nur dann zu einer ordentlichen Auslastung kommen, wenn die Halle für eine Tagungs- und Kongreßfunktion geeignet ist. Dies ist nicht nur im Zusammenhang mit der Finanzierung zu sehen, sondern auch mit der Wirkung, die dadurch der Wirtschaft und dem Tourismus erwachsen.
M.M.: Und wo soll Ihrer Meinung nach gebaut werden?
Unger: Den idealen Standort für so ein Gebäude in einer historischen Stadt gibt es nicht. Das Schloß ist als Vorschlag bestechend, eine Marktnische in Deutschland, Kongreßfunktion und direkteste Altstadtnähe. Jetzt sind wir in einer Phase des Ausprobierens. Ich halte es für destruktiv, wenn es schon zu diesem Zeitpunkt eine Initiative gibt, die weiß, daß es nicht geht. Außerdem müßte es dann eine Alternative geben. Die Friedenstraße ist aus meiner touristischen Perspektive heraus keine Alternative. Die Stadthalle im Schloßpark ist sicher das attraktivste, aber wir müssen den gangbaren Weg aus Sicht der Funktionalität, der Denkmalpflege und des Naturschutzes gehen. Für mich heißt Denkmalpflege aber nicht nur, einen Bestand im Status quo zu sichern, sondern einem alten Gebäude auch eine sinnvolle Funktion für die Zukunft zu geben.
M.M.: Sie haben das 25. Jazzweekend im kommenden Jahr angesprochen: Ein neues Konzept soll im Raum stehen. Was ist zu erwarten?
Unger: Es gibt Gespräche, zu denen ich mich noch nicht äußern möchte. Ich würde mich auch hüten, in das Konzept direktiv eingreifen zu wollen. Wenn von den Veranstaltern Modifizierungen geplant sind, stehen wir dem konstruktiv gegenüber und werden unsere Erfahrung mit einbringen. Von der Grundkonzeption sollten wir aber nicht abrücken.
M.M.: Sind neue finanzielle Perspektiven zu erwarten?
Unger: Ich werde alles dafür tun, daß sich die Situation für das Jazzweekend, was die freiwillige Leistung der Stadt betrifft, nicht verschlechtert. Alles andere wäre unrealistisch.
M.M.: Ist eine stärkere Öffnung des Weekends für ausländische Jazzer, etwa aus den Partnerstädten und aus Osteuropa denkbar?
Unger: Hier schadet es sicher nicht, sich zu öffnen, den Kreis etwas größer zu ziehen, ohne den Kern zu vernachlässigen. Das ist beabsichtigt.
M.M.: Wie schätzen Sie die Situation im Leeren Beutel, die Zusammenarbeit mit dem Jazzclub ein?
Unger: Sicher gibt es immer etwas zu verbessern, aber ich denke das Modell hat sich bewährt. Die Mittel, die wir – auch für den Unterhalt des Gebäudes – einsetzen sind sicher nicht zu verachten.
M.M.: Was kann die Stadt für weniger fest institutionalisierte Kultur- und Musikformen tun, etwa im Jugendbereich?
Unger: Wir engagieren uns in erheblichem Maß für die Mälzerei, das ist gut investiertes Geld. Andererseits ist es vielleicht nicht schlecht, wenn so ein Bereich eben nicht so stark in Institutionen eingebunden ist. Ich denke, das Gute bahnt sich seinen Weg, und wir tragen ein Stück weit dazu bei, es zu fördern.
M.M.: Eine letzte Frage: Welches Musikereignis hat Sie in letzter Zeit besonders beeindruckt?
Unger: Ganz spontan fällt mir das Regensburger Kinderballett ein. Das ist nichts spektakuläres, wichtig ist aber, daß es gelebt wird. Diese Art von Engagement ist der Grundstock für eine spätere Auseinandersetzung mit Musik und Kultur im Allgemeinen.
M.M.: Vielen Dank für dieses Gespräch.