Mälzels Magazin

Zeitschrift für Musikkultur in Regensburg

Schriftzug Mälzels Magazin
Hefte2000Nr. 2
mälzels magazin, Heft 2/2000, S. 12–13
URL: http://www.maelzels-magazin.de/2000/2_05_griesbacher.html

Klaus Thomayer

Griesbacherstraße

Regensburger Musikgeschichte in Straßennamen

Die höchste Dichte an Straßen mit Komponisten- und Musikernamen findet man in Regensburg auf dem Galgenberg. Hier knüpfen die Größten ihrer Zunft Verbindungen mit weithin Vergessenen. Einer der letzteren fand sein Andenken zwischen der Brahms- und der Lisztstraße: der Kirchenmusiker Peter Griesbacher.

Als drittes von acht Kindern erhielt der am 25. März 1864 in Hengersbergmühle bei Osterhofen geborene Müllerssohn das Privileg einer schulischen Ausbildung am bischöflichen Knabenseminar in Passau. Schon früh kam Griesbacher als Chorknabe im Domchor mit der Musik Palestrinas und Lassos in Kontakt. An der Schule selbst wurde seine musikalische Begabung wenig gefördert: Erst als Vierzehnjähriger bekam er die Erlaubnis, Klavierunterricht zu nehmen.

1882 ging Griesbacher an das Klerikalseminar St. Stephan zu Passau, wo er zum Dirigenten des Chores gewählt wurde. Während seines Theologiestudiums befaßte er sich eingehend mit der Musik der klassischen Vokalpolyphonie und schrieb erste kleine Kompositionen in diesem Stil. Im Sommer 1886 erhielt er kurz nacheinander die Diakonen- und Priesterweihe.

Nach mehreren kleineren Aufgaben wurde Griesbacher im Jahre 1888 Pfarrer in Kirchberg/Inn, wo er die Orgel und Glocken für die Kirche anschaffte und einen Kirchenchor aufbaute, für den er etwa 20 Stücke komponierte. Mehrere Gesuche um eine Beurlaubung zum Besuch der Kirchenmusikschule in Regensburg wurden abgelehnt, so daß sich Griesbacher im Selbststudium weiterbilden mußte. Immerhin konnte er 1891 seine Missa Iam sol recedit als op. 1 in den Druck geben. Im gleichen Jahr erkrankte Griesbacher an einem Herzleiden, das ihn für den Seelsorgedienst vorübergehend untauglich machte. Er zog in das Mayr’sche Eremitenbenefizium nach Osterhofen, wo sich sein Gesundheitszustand bald besserte. Michael Haller und F. X. Haberl hatte er daraufhin im Jahre 1894 seine Anstellung als Musikpräfekt an St. Emmeram in Regensburg zu verdanken.

Für sein Fortkommen als Kirchenmusiker war die Übersiedlung nach Regensburg sicherlich von großem Nutzen. Hier war er neben seinen praktischen Tätigkeiten seit 1906 damit betraut, den Literarischen Handweiser für Freunde der katholischen Kirchenmusik (Regensburg, seit 1893) zu redigieren. Griesbachers wachsendes Ansehen als Komponist stark kontrapunktisch geprägter Werke wurde 1911 mit der Berufung an die Kirchenmusikschule in Regensburg und der Verleihung eines Kanonikats am Kollegiatstift St. Johann gekrönt. Obwohl im Grunde reiner Autodidakt, wirkte er von nun an als Lehrer für Kontrapunkt, Formenkunde und Stilistik.

In diesen Jahren erschienen auch zwei Bücher aus seiner Feder: das Lehrbuch Kontrapunkt, Leitfaden zur Verbindung von Melodien nach freier Methode (Regensburg, 1910) und seine vierbändige Kirchenmusikalische Stilistik und Formenlehre (Regensburg 1912–1916). 1924/25 unternahm Griesbacher eine längere Reise in die USA, wo mehrere seiner Werke aufgeführt wurden. Nach seiner Rückkehr übernahm er die Schriftleitung der Monatshefte für katholische Kirchenmusik. Internationales Ansehen genoß Griesbacher auch als Glockensachverständiger. 1927 leitete er den ersten Glockengießer- und -expertentag in Frankfurt am Main und veröffentlichte seine Glockenmusik, ein Lehrbuch zur Glockenkunde.

Peter Griesbacher starb nach schwerer Krankheit am 28. Januar 1933 in Regensburg und ist in der Gruft von St. Johann beigesetzt.

Griesbachers erhaltenes Werk umfaßt 318 Kompositionen. Davon sind 254 mit Opus-Zahlen und 57 ohne Bezeichnung im Druck erschienen. Es handelt sich überwiegend um geistliche Werke, darunter 40 Messen, mehrere Requiem-Vertonungen, ein Stabat Mater, ein Te Deum und eine große Zahl an Motetten. Daneben komponierte Griesbacher aber auch einige Singspiele, weltliche Kantaten und Liederzyklen und veröffentlichte Werke alter Meister, u. a. Haßler, Lasso und Palestrina, z. T. auch in Bearbeitungen.

Seine Kompositionstechnik basiert auf dem Studium der Werke der klassischen Vokalpolyphonie und einschlägiger Lehrwerke, insbesondere Michael Hallers. Seine frühen Kompositionen sind hiervon so stark geprägt, daß man sie eher als reine Stilkopien ansehen möchte. Nach und nach versuchte er jedoch, durch die Einbeziehung von Elementen der zeitgenössischen weltlichen Musik, die vom Reinheitsideal des Cäcilianismus geprägte Kirchenmusik zu bereichern. Am Beginn dieser Entwicklung steht seine 1894 in Regensburg entstandene Missa St. Emmerami op. 14. Griesbacher gelangte durch Weitungen in der Harmonik, leitmotivisch anmutende Textausdeutungen und reiche Chromatik, oft unter Beibehaltung eines strengen Kontrapunkts, zu seinem persönlichen Stil. Diese ganz eigene Symbiose klassischer Vokalpolyphonie mit spätromantischer Satztechnik brachte ihm das Etikett ‚Wagner der Kirchenmusik‘ ein. Mit seinen Bestrebungen, moderne Stilmittel in die Kirchenmusik einzubeziehen, stieß Griesbacher aber auch auf Widerstand. Eine kritische Schrift mit dem Titel Der Fall Griesbacher gibt davon Zeugnis. Andererseits fand die katholische Kirchenmusik um die Jahrhundertwende gerade mit seinen Werken den Anschluß an zeitgenössische Entwicklungen. Das Schaffen des heute fast vergessenen Wahl-Regensburgers erlangte insbesondere zwischen 1900 und 1920 international hohes Ansehen.

Literatur:
– Max Tremmel: Peter Griesbacher. Sein Leben und sein Werk (Passau 1935). – W. Chrobak, A. Scharnagl (Hg.): Peter Griesbacher zum 50. Todestag. Katalog zur Ausstellung vom 28.1.–18.2.1983 in der Bischöflichen Zentralbibliothek Regensburg (Regensburg 1983).

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