Claus Lochbihler
Christian Sommerer und das „Summit Jazz Orchestra“
Nur wenige Jahre ist es her, daß die Big Band noch als der Dinosaurier des Jazz galt: Groß, unbeweglich, ökomisch nicht mehr überlebensfähig und eigentlich schon mir der Ära des Swing ausgestorben, wenn nicht Count Basie, Duke Ellington und ein paar andere munter weitergeswingt hätten. Seit ein paar Jahren läßt sich jedoch eine Big-Band-Renaissance ausmachen, die auch in Regensburg einen feinen Namen hat: „Summit Jazz Orchestra“.
Das 16köpfige, im Herbst 1997 gegründete Ensemble – Durchschnittalter 24 Jahre – setzt sich aus Musikern zusammen, die aus ganz Deutschland stammen: Junge Veteranen der verschiedenen Landesjugendjazz- und des Bundesjazzorchesters, die mittlerweile zum Teil auch bei Rundfunkorchestern wie der RIAS Big Band oder solch klangvollen Namen wie Dusko Goykovich oder Al Porcino als Musiker untergekommen sind.
Daß das Summit Jazz Orchestra, das sich nicht als Repertoire-Big-Band versteht, sondern eine konzertante, bewußt europäisch-deutsche Stilistik anstrebt, seinen Sitz ausgerechnet in Regensburg hat (und dort normalerweise jeden letzten Sonntag eines Monats im „Leeren Beutel“ zu hören ist), hat einen guten Grund: Christian Sommerer. Der 23jährige Regensburger und bekennende Big-Band-Freak („Das geilste, was es überhaupt gibt!“) ist für sein Summit Jazz Orchestra in Personalunion genau das, wovon andere Bands nur träumen können: Musiker, Organisationsgenie, Manager und – wenn's finanziell brenzlig wird (bei einer Big Band leider häufiger der Fall) – gelegentlich auch Mäzen. Nicht nur in organisatorischer Hinsicht ist der robust gebaute Bayer so etwas wie das Fundament des Summit Jazz Orchestra: An der Baßposaune, die innerhalb des Posaunensatzes in etwa die gleiche Funktion einnimmt wie die erste Trompete, sorgt er für ein kräftiges Fundament, auf dem sich die anderen Bläser zu geballter Big-Band-Power auftürmen können. Auf seinem Instrument hat Christian Sommerer schon mit 11 Jahren angefangen. Stilistisch schätzt er sich als eine Art Nachkömmling von Al Grey ein, als große Vorbilder nennt er den „Pionier des Baßposaune“ George Roberts, der in den 50er Jahren mit Stan Kenton spielte, und den Holländer Erik van Lier.
Sommerers Big-Band-Begeisterung, die ihn zwischenzeitlich zum Mitglied des Landes- und des Bundesjugendjazzorchesters werden ließ, datiert nur zwei Jahre später und hält ungebrochen an. Angefangen vom Blattlesen bis hin zum „blending“ (der Balance der einzelnen Stimmen innerhalb eines Satzes) könne man viele Dinge nur in einer Big Band lernen. Hinzu komme der menschliche Aspekt: Es sei ungemein spannend, 16 oder mehr Leute – jeder davon mit einem ausgeprägten, unverwechselbaren „Ego“ – zu einem gemeinsamen Projekt zusammenzubringen.
Auch hieran hat Christian Sommerer, der sein Organisationstalent zu Schulzeiten bereits als Schülersprecher am Albrecht Altdorfer Gymnasium erproben konnte, wesentlichen Anteil: Für das „Zusammenbringen“ der verstreut zwischen Bayern und Berlin lebenden ,Summit‘-Musiker und die organisatorische Abwicklung neuer Projekte – von den Plattenaufnahmen im legendären Studio von Max Bollemann/Holland im vergangenen Herbst bis hin zum Auftritt beim Montreux Jazz Festival 1998 – wendet Sommerer täglich rund zwei Stunden auf.
Dazu kommen rund 80 Reise- und Konzerttage mit dem Summit Jazz Orchestra und die eigene Künstleragentur. Ein Rätsel, wie Sommerer, der gar nichts von einem ‚Gschaftlhuber‘ hat, all dies bewältigt und dabei auch noch die Zeit zum produktiven Träumen findet: Während sich jeder andere, dem es gelungen ist, die Trompeten-Legende Clark Terry dieses Jahr für eine Deutschland-Tournee zu verpflichten, erst einmal auf diesem Erfolg ausruhen würde, plant Sommerer bereits den nächsten Streich: Im Herbst gastiert das SJO in Belgien, eine Südafrika-Tournee 2001 wäre eigentlich auch ganz spannend, und bei Ray Charles sollte man wegen eines Aufritts langsam mal vorstellig werden ...
In Sachen Big Band zählen musikalisches und organisatorisches Talent gar nichts, wenn nicht auch die Finanzen stimmen. Denn eine Big Band verschlingt massig Geld, das sie unter kommerziellen Bedingungen gar nicht einspielen kann: Allein in das Repertoire – neue Arrangements von Altmeistern wie Bert Joris oder Jungtalenten wie Marko Lackner – hat das Summit Jazz Orchestra 50.000 bis 80.000 Mark investiert. Oder die USA-Tournee im vergangenen Jahr: 27 Konzerte in 24 Tagen, finanziert durch den Deutschen Musikrat und das Auswärtige Amt. All dies will erst einmal geplant und beantragt sein. Sommerer kommt dabei neben den Erfahrungen mit seiner Booking-Agentur auch sein Börsen- und Finanz-Know-How zu Gute, das er von seinem verstorbenen Vater erlernt hat, lange bevor hierzulande das Infineon-Fieber ausbrach.
Während Christian Sommerer in Notfällen oder zur Überbrückung auch eigenes Geld in die Big Band buttert, zeigte sich die Stadt Regensburg bislang von ihrer knausrigen Seite: Trotz des Auftritts in der Partnerstadt Tempe/Arizona vor 25.000 Zuhörern im vergangenen Jahr und dem bevorstehenden Auftritt beim „Fest der Bayern“ diesen Sommer gab es bislang nur 300 Mark aus dem Stadtsäckel. Ein schlechter Witz, so Christian Sommerer, wenn man bedenkt, daß ein kompletter Notensatz für ein Stück 1200 Mark verschlingt.
Hörempfehlungen zum Thema „Big Band“ von Christian Sommerer:
„Ein Geheimtip für Freunde des swingend-explosiven Big-Band-Sounds der späten 50er. Die Terry Gibbs Dream Band
aus Los Angeles, bei der neben anderen Mel Lewis, Al Porcino, Frank Rosloino und Conte Candoli mitgespielt haben. Die
Einstiegsdroge für Big Band-Neulinge“:
1. Terry Gibbs: Dream Band (Contemporary, CCD – 7647-2)
2. Terry Gibbs Dream Band: Main Stem (Contemporary, CCD – 7656-2)
3. Terry Gibbs Dream Band: The Big Cat (Contemporary, CCD – 7657-2)
„Big-Band-Jazz von einem der bedeutendsten Jazzorchester, das nur mit den besten Arrangeuren und
Komponisten zusammengearbeitet hat“:
4. Mel Lewis & The Jazz Orchestra featuring the Music of Bob Brookmeyer (Red Baron, JK 53752)
5. The Mel Lewis Jazz Orchestra: To You – A Tribute to Mel Lewis (Musicmasters, 5054 – 2 – C)
6. Mel Lewis & The Jazz Orchestra: Bob Brookmeyer, Composer & Arranger. Special Guests: Clark Terry & Bob
Brookmeyer (Gryphon DJZ – 616)
„Zwei echte Klassiker“:
7. Count Basie Orchestra & Frank Sinatra: Sinatra at the Sands (Reprise 9 46947-2)
8. Count Basie Orchestra: The Complete Atomic Basie (Roulette CDP 7243 8 26635 26)
„Europäischer Big-Band-Jazz auf internationalem Niveau aus Nürnberg“:
9. Sunday Night Orchestra: Voyage Out (Mons Records, MR 874 305)
Die neue CD des Summit Jazz Orchestra erscheint am 1. April bei dem Münchener Label Edition Collage (Bestell-Nr. EC 522-2) und heißt „Moods of a Cat“.