Mälzels Magazin

Zeitschrift für Musikkultur in Regensburg

Schriftzug Mälzels Magazin
Hefte2000Nr. 4
mälzels magazin, Heft 4/2000, S. 10–11
URL: http://www.maelzels-magazin.de/2000/4_04_humbs.html

Juan Martin Koch

Die Sprachen der Trauer

Der Komponist Thomas Humbs und sein Requiem für das vergangene Jahrtausend

Am Endes eines Millennium-Jahres, das immer wieder die Vision eines neuen Jahrtausends zu beschwören versucht, setzen zwei Regensburger Musiker ganz bewußt einen Kontrapunkt. Am 26. November (Christkönig, Totensonntag) und damit am Ende des Kirchenjahres bringen sie ein ehrgeiziges Projekt zum Abschluß, das sie seit zwei Jahren vorbereiten: Windhauch alles – ein Requiem für das vergangene Jahrtausend von Thomas Humbs wird in der Dompfarrkirche Niedermünster unter der Leitung von Thomas Götz zur Uraufführung kommen.

Thomas Humbs, der in Würzburg Kirchen- und Schulmusik studierte und gegenwärtig am hiesigen Gymnasium der Englischen Fräulein unterrichtet, hat damit sein bisher umfangreichstes Werk geschrieben. Bekannt ist er in Regensburg insbesondere durch seine Kooperation mit dem Ensemble La Sfera, für das er Tynset nach der Prosavorlage Wolfgang Hildesheimers und einige Schauspielmusiken komponiert hat, die bei Aufführungen des Regensburger Studententheaters zum Einsatz kamen. Mit Thomas Götz, dem Kirchenmusiker von Niedermünster, der 1998 den Internationalen Orgel-Improvisationswettbewerb zu zeitgenössischer Kunst „Wandlung der Formen“ initiierte, hat er schon beim Projekt „Am Ende reden können“ in der Ulrichskirche zusammengearbeitet.

Die Texte, die dem in mehrteiliger Oratorienform angelegten Werk zugrundeliegen, vereinen drei historisch wie philosophisch unterschiedliche Sichtweisen auf den Tod, auf das Vergangene: Im alttestamentarischen Buch Kohelet ist diese von einem Bild bestimmt, das der Komposition als ganzer den Titel gibt: Windhauch alles – alles Irdische ist vergänglich, ein stetiges Kommen und Gehen, eine zyklische Wiederkehr von Ereignissen, die jede Vorstellung von Ende relativiert. Der Text der Totenmesse, insbesondere die Sequenz Dies irae, die Humbs neben dem Kyrie vertont, steht dagegen in den Augen des Komponisten für die im Menschen am längsten verwurzelte Vorstellung vom Tod als einem handfesten Abrechnen, als scharfe Zäsur, dessen Schrecken erst überwunden werden muß. In den Ausschnitten aus Walt Whitmans monumentaler Gedichtsammlung Leaves of Grass sieht Humbs wiederum einen humanistischen Gegenpol, da für Whitman der Tod nur das Überschreiten einer Grenze bedeute, verbunden mit dem Vertrauen in einen neuen Abschnitt, einen neuen Seelenzustand.

Diese Textauswahl, für deren Konzeption Humbs und Götz auch der Regensburger Philosophieprofessor Ulrich Hommes beratend zur Seite stand, wird in der Komposition verschiedenen im Raum verteilten Ensembles zugeordnet sein: Dem großen achtstimmigen Chor mit Streichorchester, Schlagzeug und Harfe ist der lateinische Text vorbehalten, überhöht von einem Sopransolo, das auf der Empore von Orgel und Blechbläsern begleitet wird. Ein Sprecher übernimmt die deutschen Rezitationen aus dem Buch Kohelet, ein von Saxophon, Keyboard, Cembalo und Orgelpositiv unterstützter Bariton-Solist die Whitman-Gedichte in Originalsprache.

Mit Sally Du Randt vom Theater Regensburg und Thomas E. Bauer, dem auch als Solist erfolgreichen Mitglied von Singer Pur, ist es Thomas Götz gelungen, erstklassige Sänger für das Projekt gewonnen zu haben. Das vorwiegend aus Regensburger Musikerinnen und Musikern zusammengestellte Orchester wird Alexandra Käufl als Konzertmeisterin anführen.

Nachdem die einem Projekt dieser Dimension vorgelagerten organisatorischen Hürden glücklich bewältigt werden konnten, steht einer konzentrierten Umsetzung des Werkes nichts mehr im Wege. Mit dem Kulturreferat der Stadt, dem Katholischen und dem Evangelischen Bildungswerk als Mitveranstaltern sowie zahlreichen Sponsoren, die mit einer gut ausgestatteten Informationsmappe überzeugt werden konnten, befindet sich die musikalische Großveranstaltung finanziell jedenfalls auf der sicheren Seite.

Der Komponist Thomas Humbs will sein Publikum in erster Linie emotional ansprechen. Die prinzipielle Bindung an tonale Strukturprinzipien sieht er dabei als Grundvoraussetzung. Auch vom Stilpluralismus eines Alfred Schnittke, der in seinen Augen jedes Tabudenken erfolgreich und hochexpressiv überwunden habe, zeigt er sich beeindruckt. Sein Requiem wird um die Grundtonart E (harmonisch und kirchentonal) zentriert sein, aber auch freitonale Abschnitte, etwa im Quantus tremor, einschließen. Der Gefahr abgegriffener, geborgter Emotionen will er durch ein Zugehen auf die Wahrnehmungswelt des Publikums begegegnen, das er und Dirigent Thomas Götz mit dem Begriff „Ergonomie“ umschreiben. Kein krampfhaftes Durchbrechen der im Menschen angelegten Grundstimmungen also, sondern gezielte, unmittelbare Kommunikation, der Humbs seine eigene musikalische Sprache verleihen wird.

© mälzels magazin 1998–2005
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