Mälzels Magazin

Zeitschrift für Musikkultur in Regensburg

Schriftzug Mälzels Magazin
Hefte2000Nr. 4
mälzels magazin, Heft 4/2000, S. 12–13
URL: http://www.maelzels-magazin.de/2000/4_05_frascatana.html

Sabine Krauß

Ein Meisterstück der Opera buffa

Zum Regensburger Comeback von Paisiellos La Frascatana

Es gibt kaum ein größeres Problem, als verschiedene Institutionen für ein gemeinsames Projekt unter einen Hut zu bringen. Die Schwierigkeiten ergeben sich dabei meist in bezug auf die Art der Kooperation und die Verteilung von Kompetenzen. Um so erfreulicher ist es, wenn ein geplantes Projekt auch zur Ausführung gelangt, so geschehen im diesjährigen Sommer, als die Opera buffa La Frascatana von Giovanni Paisiello nach über 200 Jahren in Regensburg wiederaufgeführt wurde. Wie den zahlreichen Vorankündigungen bereits zu entnehmen war, handelt es sich hierbei um eine Oper, die auf italienisch wahrscheinlich schon vor 1778 und ab 1783 als deutsches Singspiel im Thurn und Taxisschen Hoftheater in Regensburg mit großem Erfolg zur Aufführung kam.

Betrachtet man das Schaffen Giovanni Paisiellos im Bezug auf die Opera buffa, so tritt er aus heutiger Sicht stets hinter seine Zeitgenossen zurück. Doch kam Paisiello, zunächst in Neapel 1767, dann im europäischen Raum ab 1774, eine zentrale Bedeutung in der Entwicklung der Opera buffa zu. Eine besondere Rolle spielte dabei die Stadt Neapel, wo Paisiello zu der kleinen Schicht zählte, die Anschluß an die europäischen Ideen der Aufklärung suchte, die sich jedoch nur äußerst langsam durchsetzten. Neapel blieb somit noch lange in seiner Mentalität, seinen mystisch-religiösen Traditionen und seinen feudalherrschaftlichen Bindungen verwurzelt, was sich auf Paisiellos Opernschaffen zuerst inspirierend, in seiner dritten Schaffensperiode jedoch als hemmend auswirkte.

Obwohl der Frascatana gerade in Neapel keine besondere Wirkung beschieden war, darf man sie als erfolgreichste Opera buffa Paisiellos bezeichnen. Die Gründe lagen in der äußerst gefälligen Musik, ihrem anmutigen Text und nicht zuletzt in der Kürze ihrer Aufführungszeit, womit sie gerade kleineren Opernensembles entgegenkam. In der Gestaltung der großen Kettenfinali zeigt sich Paisiello auf der Höhe der Zeit, setzt die buffatypischen überraschenden Wendungen souverän in wechselnde Tonfälle und Tempodifferenzierungen um und spitzt so den Handlungsverlauf auch musikalisch überzeugend zu.

In ganz Europa, insbesondere in London, gehörte sie zu den meistgespielten Repertoirestücken. Eine Glanzzeit feierte das Werk auch in Wien, wo man im Jahr 1775 für das Kärntnertortheater und das Burgtheater von 40 Aufführungen ausgehen kann. Zur Wiederaufnahme des Werkes 1776 liegt folgende Pressemeldung vor: „Vor einigen Tagen kam der berühmte Kapellmeister Herr Paisiello von Neapel bey uns an. Man lud ihn in das Schauspiel ein, und sang die von ihm gesetzte Opera, La Frascatana, das Lieblingsschauspiel unseres Publikums und das Meisterstück dieser Gattung. Der anwesende Adel empfieng ihn auf der Galerie mit ganz unterscheidenden Zeichen der Hochachtung ...“

Im Verlauf der Geschichte geriet Paisiellos Opernschaffen, wie erwähnt, zunehmend in Vergessenheit, so daß man ihn im Gegensatz zu anderen Buffa-Komponisten wie z. B. Wolfgang Amadeus Mozart heutzutage nur mehr sehr selten auf den Spielplänen der Opernhäuser finden kann. Gerade um das Schaffen eines musikhistorisch bedeutsamen Künstlers, aber auch, um ein Beispiel Regensburger Musikgeschichte wiederzubeleben, machten sich nun das Musikwissenschaftliche Institut der Universität und das Theater Regensburg ans Werk, La Frascatana wieder auf eine Regensburger Bühne zu bringen. Ausgangspunkt war das Regensburger Exemplar der Frascatana, das in der Fürst Thurn und Taxis Hofbibliothek seiner Wiedererweckung harrte. Ein Gespräch zwischen Prof. Dr. Rainer Kleinertz vom Institut für Musikwissenschaft und GMD Guido Johannes Rumstadt gab den Ausschlag für das Comeback dieser im 18. Jahrhundert auch in Regensburg beliebten Oper.

So kam das Projekt ins Rollen: Vokalpartitur und Stimmen wurden auf Mikrofilm photographiert, kopiert und zu Aufführungszwecken vorbereitet. Dabei stellte sich der Zustand des Materials immer wieder als problematisch dar. Der damalige Kopist hatte nicht immer seine Sonntagsschrift verwendet, der Zahn der Zeit hatte ein übriges getan. Mit Lupe und Tipp-Ex, Scanner und Notenschreibprogramm wurden die Klippen der Überlieferung umschifft, und der Wiederaufführung der Frascatana stand nun nichts mehr im Wege.

Ein fröhliches Sommerspektakel im Hof des Thon-Dittmer-Palais sollte es werden, doch bewahrheitete sich wieder einmal Schillers Weisheit: „Des Lebens ungemischte Freude ward keinem Irdischen zuteil.“ Von den geplanten Aufführungen unter der musikalischen Leitung von Karl Andreas Mehling konnten nur zwei überhaupt und dann auch nur unter ängstlichen Blicken zum Himmel im Freien aufgeführt werden. Bei den übrigen, wie bei der Premiere am 10. Juli, mußten Ensemble und Zuschauer Zuflucht im Theater am Haidplatz nehmen, damit das fröhliche Treiben auf der Bühne nicht zu einer Badeparty wurde. Das tat jedoch der Spielfreude der Aufführenden keine Abbruch. Bestechend waren gerade der Elan und die Spritzigkeit der Sänger. Allesamt noch jung und unverbraucht, gaben sie der quirligen und humorvollen Inszenierung Marcus Schneiders die entsprechende Würze.

Es bleibt zu hoffen, daß sich im kulturellen Bereich Universität und Stadt weiterhin aufeinander besinnen und da weitermachen, wo sie aufgehört haben, das nächste Mal hoffentlich nicht wieder unter dem Motto: „Singing in the rain.“

Literatur:
– Michael F. Robinson: Giovanni Paisiello, A Thematic Catalogue of His Works, New York 1991.
– Christine Villinger: Die opere buffe von Giovanni Paisiello, Tutzing 2000.
– Rainer Kleinertz: Das venezianische &bsquo;Remake‘ einer neapolitanischen Commedia per musica: „La Frascatana“ von Filippo Livigni und Giovanni Paisiello, Druck i. Vorb.

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