Mälzels Magazin

Zeitschrift für Musikkultur in Regensburg

Schriftzug Mälzels Magazin
Hefte2000Nr. 4
mälzels magazin, Heft 4/2000, S. 17–18
URL: http://www.maelzels-magazin.de/2000/4_07_renner.html

Claudia Gunkel

Rennerstraße

Regensburger Musikgeschichte in Straßennamen

Man könnte es als Wink des Schicksals bezeichnen, daß sich 1868, im Jahr Joseph Renner jun. Geburt, der Allgemeine Cäcilienverein in Bamberg unter Franz Xaver Witt fest konstituierte, um seinen Reformbestrebungen in der katholischen Kirchenmusik einen verbindlichen Rahmen zu geben. Denn diese Bewegung, in deren Geiste 1874 die Kirchenmusikschule in Regensburg gegründet wurde, sollte für Joseph Renner Zeit seines Lebens gleichermaßen künstlerische Wurzel wie auch schöpferische Fessel werden.

Schon der Vater, Joseph Renner sen., stand im Dienst dieser Reformbewegung und erwarb sich besonders große Verdienste durch die Erforschung der weltlichen Vokalmusik des 15. und 16. Jh. und deren Aufführungen durch das von ihm 1864 gegründeten Madrigalquartett. Daß dem in diese Tradition hineingeborenen J. Renner jun. der Weg einer gediegenen musikalischen Ausbildung vorgezeichnet war, liegt auf der Hand, nicht aber die Geschicklichkeit und Eigenständigkeit, durch die er nach dem Besuch der Volksschule und einiger anschließender Gymnasialklassen mit 15 Jahren der jüngste Student an der Kirchenmusikschule Regensburg wurde. Nachdem er schon zwei Jahre später unter Franz Xaver Haberl, Michael Haller und Domorganist Joseph Hanisch mit Erfolg die Abschlußprüfung absolvieren konnte, bewarb er sich, man kann wohl sagen glücklicherweise, vergeblich um die Organistenstelle an der Alten Kapelle. Vielleicht wäre ihm sonst das so entscheidende Studium in München bei J. Rheinberger versagt geblieben. Bei ihm erst lernte er die Vielfalt der musikalischen Formen und Möglichkeiten verschiedener Epochen bis zur zeitgenössischen Musik kennen, welche von nun an sein Leben und Schaffen ganz neu durchfluteten. Rheinberger hielt wenig von der cäcilianischen Stilreform und bezeichnete die daraus hervorgehende Kirchenmusik als „nur gewollt, [und] nicht gewachsen“.

Für Renner war besonders der Unterricht in Orgel und Komposition entscheidend, wo er insbesondere von der Kontrapunktik und Figuration, dem klaren Zusammenwirken von melodischer Spannung und harmonisierender Steigerung Rheinbergerscher Orgelsonaten und -konzerte lernen konnte. Inwiefern er das Neuerlernte umzusetzen vermochte, zeigte 1887 das Ablegen einer glänzenden Reifeprüfung an der Königlichen Musikschule München und die Verleihung des Dr. Königwarterschen Ehrenpreises des Bayerischen Kultusministeriums in Höhe von 500 Mark. Gleich im Anschluß konnte ihm Rheinberger seine erste Stelle als Chorregent und Musikdirektor in Bludenz/Voralberg vermitteln.

Die folgenden sechs Jahre wurden für Renner eine menschlich, schöpferisch und gesellschaftlich erfüllte Zeit. Man kann hier den wahren Beginn seines kompositorischen Schaffens sehen, denn neben einfachen Chor- und Klavierwerken entstanden unter anderem die anspruchsvollen Messen Pange lingua, Missa solemnis, die Messe in e-Moll und die erste Sonate für Orgel, über deren Fuge kein geringerer als Max Reger zwei Jahre später an Renner schreibt: „Es leben nicht viele Componisten, die Ihnen diese Fuge nachschreiben.“ Hier lernt er auch seine zukünftige Frau Maria von Granahl kennen. Nach der Heirat 1891 in Bludenz und der Geburt seiner Tochter Maria 1892, gibt er dem Drängen seines Vaters nach, sich als Nachfolger seines früheren Lehrers Hanisch um die Domorganistenstelle nach Regensburg zu bewerben. Am ersten Dezember 1892 von Bischof Ignatius von Senestrey zum Domorganisten von Regensburg ernannt, zieht er mit seiner Familie in das Mesnerhaus im Domgarten, woran heute eine kleine, am Haus angebrachte Gedenktafel erinnert. So kehrte er als Domorganist, Chordirektor der Niedermünsterkirche und ab 1895 Lehrer an der Kirchenmusikschule nach Regensburg in die Heimat zurück, um seinen Dienst als „moderner Musiker“, wie ihn Max Reger 1900 beschreibt, fortzuführen. 1914 von König Ludwig III. zum königlichen Professor ernannt, beschließt der Stadtrat 1928, nach wiederholtem Ausbleiben einer materiellen Unterstützung durch das Domkapitel, Renner einen monatlichen Ehrensold von 100 Reichsmark zu verleihen. Nach dem Tod seiner Frau 1932, stirbt Joseph Renner jun. am 17. Juli 1934 an den Folgen eines Schlaganfalls im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder.

Das Zentrum von Renners kompositorischem Schaffen liegt ohne Zweifel in der kirchlichen Vokal- und Orgelmusik. Während er in seinen Vokalkompositionen immer bestrebt war, die kirchenmusikalische Praxis nicht aus dem Auge zu verlieren, indem er versuchte, kirchliche Gebrauchsmusik mit einem gewissen künstlerischem Niveau zu verbinden, zeigte sich sein Kompositionsstil am freiesten und ungebundensten in seinem Orgelschaffen und hier vor allem in der Orgelsonate. Daß er sich auch in der Vokalmusik nicht von der „schablonenhaften“, cäcilianischen Musikästhetik fesseln ließ, sieht man an den zahlreichen bestürzten Reaktionen aus den Reihen der Cäcilianer, welche sich immer wieder an dem „modernen krankhaften Chromatismus“ und „aufdringlich subjektiven Ausdruck“ Renners Messen stießen. Dem Autor gehe es „viel weniger um andächtige Illustration des liturgischen Textes, als um überraschende Effekte [...], was nie und nimmer als kirchlich bezeichnet werden kann.“ Doch trotz dieser Konflikte mit den Cäcilianern hatte Renner Freunde in den Domkapellmeistern Theobald Schrems, Franz Xaver Engelhard, sowie vielen Chorregenten Regensburger Kirchen, die zum großen Teil seine Schüler gewesen waren.

Erstaunlich ist die nationale wie internationale Verbreitung von Renners Werken noch zu seinen Lebzeiten. Die große Anzahl hochkarätiger Interpreten seiner Werke, wie Karl Straube in Leipzig, stehen für die Wertschätzung der Rennerschen Kompositionen bis hinein in evangelische Kreise.

„Man muß etwas Neues schreiben; man kann nicht schreiben, was andere schon geschrieben haben,“ entgegnete Renner einmal einem seiner zahlreichen Kritiker und formulierte damit wohl seinen persönlichen Wahlspruch.

Literatur:
– Werner Huber: Leben und Werk des Regensburger Domorganisten und Komponisten Joseph Renner jun. Ein Beitrag zum süddeutschen Spät-Cäcilianismus, Tutzing 1991.
– Werner Chrobak/August Scharnagel (Hrsg.): Allgemeiner Cäcilien-Verein. Gedächtnisausstellung: F. X. Witt, J. Renner jun., F. X. Engelhard., Regensburg 1984.

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