Klaus Thomayer
Zum 200. Todestag des fürstlichen Hofmusikers Joseph Touchemoulin
„Er hatte den Ruf eines rechtschaffenen, ehrlichen Mannes und eines alten, treuen Dieners; vom Schlage berührt, hatte er kein Vermögen. An letzterm ist bloß der Umstand schuld, dass er bemüht war, seinen 3 Kindern eine gute Erziehung zu geben, so zwar, dass diese Familie immer als ein Beispiel häuslicher Ordnung, Ruhe und Eintracht galt.“
Mit diesen wenigen Worten, zitiert aus einem Aktenstück des fürstlichen Archivs, charakterisiert Dominikus Mettenleiter 1865 einen einst international bekannten Musiker des 18. Jahrhunderts – Joseph Touchemoulin.
Er war, wie der Name vermuten läßt, gebürtiger Franzose, wobei bis heute noch nicht geklärt ist, ob er in Chalon-sur-Saône (wie es auf seinem Grabstein steht) oder in Chalon-sur-Marne im Jahre 1727 geboren wurde. Wenn auch über seine Kinder- und Jugendjahre nichts bekannt ist, scheint er spätestens im Alter von 16 Jahren die französische Heimat verlassen zu haben, um in Deutschland seinen Beruf auszuüben: erstmals zu belegen ist er 1753 als Geiger am Hof von Kurfürst Clemens August in Bonn. In dem Dokument erfahren wir, daß sein Gehalt von 900 auf 1000 Gulden erhöht wurde. Er muß demnach ein herausragender Virtuose gewesen sein, der dieses äußerst stattliche Salär wert war. 1754 wird eine seiner Sinfonien im Rahmen der berühmten Concerts spirituels in Paris aufgeführt – möglicherweise unter der Leitung des Komponisten.
Vermutlich Ende der 1750er Jahre hielt er sich in Italien auf um bei Giuseppe Tartini zu studieren – auf dem Titelblatt seiner 1775 gedruckten Violinkonzerte op. 2 bezeichnet er sich selbst als „Schüler des berühmten Tartini“. 1761 wird er zum Bonner Kapellmeister ernannt und damit, entgegen allen Gepflogenheiten, einem älteren und verdienteren Kollegen vorgezogen – Ludwig van Beethoven sen., Großvater des berühmten Komponisten. Ein halbes Jahr später kürzt der neue Kurfürst Maximilian Friedrich die Gehälter seiner Musiker auf etwa die Hälfte. Touchemoulin kündigt daraufhin und tritt in den Dienst des Fürsten von Thurn und Taxis in Regensburg. Hier wirkte er zunächst als Geiger im Hoforchester, dann als Kapellmeister der Hofmusik und bei Opernaufführungen. Auch in Regensburg bezieht Touchemoulin ein mehr als ansehnliches Gehalt: 1766 ist er mit 750 Gulden der bestbezahlte Musiker am fürstlichen Hof. Nachdem Joseph Riepel 1784 gestorben war, wurde Touchemoulin zum Musikdirektor ernannt. Doch 1798 mußte auch bei den Thurn-und-Taxis der Rotstift angesetzt werden und wie so oft sind auch hier die Musiker mit als erste betroffen: Gehälter wurden gekürzt, einige Musiker schieden ganz aus. Der bereits über 70jährige Touchemoulin wird pensioniert, zumal er wegen eines erlittenen Schlaganfalls seinen Verpflichtungen wohl nur noch sehr eingeschränkt nachkommen konnte.
Am 25. Oktober 1801, kurz nach seinem 74. Geburtstag, stirbt Joseph Touchemoulin in Regensburg, „nicht ohne aus dem Kelche der Leiden und der Wiederwärtigkeiten getrunken zu haben“.
Touchemoulins Fähigkeiten als Geiger wurden zu seinen Lebzeiten allgemein sehr geschätzt. Über den Komponisten urteilt Mettenleiter in der nächsten Generation: „Die Faktur bekundet den formgewandten Meister; die Erfindug ist dagegen oft schwach; man sieht, wie schwer er sich abgemüht hat, schöne Melodien zu schreiben.“ Seine Werke entsprechen weitgehend dem jeweiligen Stil der Zeit, seine knapp 20 erhaltenen Sinfonien, von denen sechs als op. 1 in Paris gedruckt wurden, scheinen in verschiedenen Stilen ihre Vorbilder zu finden. In den erhaltenen Werken für Violine manifestiert sich der virtuose Geiger. Neben Kammermusikwerken und geistlicher Musik schuf Touchemoulin auch einige Werke für das Musiktheater. Erwähnt sei hier insbesondere die Oper I furori di Orlando (Der rasende Roland), die in einer handschriftlichen Partitur samt Stimmen in der Thurn und Taxis-Hofbibliothek erhalten ist und einer modernen Wiederaufführung harrt.