Mälzels Magazin

Zeitschrift für Musikkultur in Regensburg

Schriftzug Mälzels Magazin
Hefte2003Nr. 1
mälzels magazin, Heft 1/2003, S. 10–12
URL: http://www.maelzels-magazin.de/2003/1_04_harfenhymne.html

Christoph Meixner

„Wie eines Engels Harfenhymne“

Ein musikalischer Gruß auf das Jahr 1803

Die Stadt Regensburg und ihre Bürger begehen in diesem Jahr 2003 mit zahlreichen Veranstaltungen (u. a. mit der großen Ausstellung 1803 – Wende in Europas Mitte vom 28. Mai bis 24. August) das 200jährige Jubiläum der Verabschiedung des sogenannten Reichsdeputationshauptschlusses. Durch diesen Hauptschluß war damals nicht nur das Ende der Regensburger Souveränität gekommen; die ehemalige Reichsstadt erhielt auch mit Kurfürst Carl Theodor von Dalberg einen neuen Stadt-, bzw. Landesherrn.

Zu den ersten Dokumenten, die diesem politischen Wandel Rechnung tragen, zählt die Ode Regensburgs Bürger an den 1. Januar 1803, deren prächtig gedruckte Ausgabe sich heute in der Musiksammlung der Fürst Thurn und Taxis Hofbibliothek befindet (Signatur: Sterkel 9/I).

Den Text verfaßte der Regensburger Pädagoge und Lehrer Emmerich Jakob Aurnhammer (1772–1817). Ganz in der Tradition der panegyrischen Gelegenheitsdichtung stehend, wandte er sich darin an den neuen Stadtherrn mit folgenden Worten:

Dich feire Jeder, welcher ein deutsches Herz im Busen fühlet, welcher sein Vaterland und Seine Fürsten, Helden, Weisen ehrt und mit deutscher Freude segnet. Du führst das große, festliche Jahr herauf, das auf der Nachwelt Rolle der Völkerbund beschworen in der Friedens Eiche Schatten, mit ew’ger Schrift bezeichnet. Auch uns gefeiert sei, o Du Herrlicher, mit dem Entzücken, welches nur stammeln kann, und mit dem Blick, der aus der langen Kümmernacht sich zur Wonn‘ erheitert.

Wir harrten zagend; aber sie tönte fort die Schlacht, und dunkler wölkte die Zukunft sich. Da brach ein Stern aus einer Wolke, bald überglänzt von des Morgens Röthen, und jetzt umstrahlet uns der entdämmerte, der volle Tag.

O feiert ihn Jünglinge, mit hellerm Hinblick in das Leben! Feiert ihn Greise, mit heitrer Ruhe!

Der Menschheit freundlich waltender Genius (nur eine Wolke barg den Unsterblichen) blickt auf versöhnte Nationen mit dem Lächeln der Weihe nieder und auf die Fürsten, welche nur Menschenglück als eignes achten, denen der Friedenslaut wie eines Engels Harfenhymne in den erschütterten Busen tönet. Auf einem weilte lange des Genius still segnend Auge, hob sich begeisterter empor zur Gottheit – Eine Stimme wandelte nieder: Es herrsche Dalberg!

Vertont wurde dieser Text von Johann Franz Xaver Sterkel (1750–1817), der seit 1802 zum Hofpersonal Dalbergs gehörte und später zum Großherzoglich Frankfurtischen Hofmusikdirektor aufstieg. Schon in jungen Jahren hatte er die Wertschätzung des Mainzer Kurfürsten Friedrich Karl von Erthals genossen, der ihn 1778 als Hofkaplan angestellt und ihm sogar die Möglichkeit geboten hatte, auf einer mehrjährigen Italienreise (1779–1782) seine musikalischen Fähigkeiten zu vervollkommnen. Bei den Zeitgenossen war Sterkel als ausgezeichneter Pianist, Musiklehrer und Komponist allgemein anerkannt. In Regensburg konnte er als Musikreferent der leitenden Theaterkommission u. a. die Aus- und Weiterbildung der Gesangskräfte des neu gegründeten Theaterbetriebes maßgeblich beeinflussen. Zu seinen Regensburger Schülern zählte u. a. Johann Christoph Grünbaum, der später in Wien und Berlin große Erfolge feiern konnte.

Sterkel erwies sich mit Dich feire jeder als ein Komponist, der mit den Stilmitteln der damals aktuellen Liedkomposition wohlvertraut gewesen war. Er schuf eine wohlklingende Ballade, die in ihrem Aufbau und ihrer Gestaltung ganz jenem von Johann Rudolf Zumsteeg geprägten Muster folgte, das für die Entwicklung des deutschen romantischen Liedes (insbesondere für Franz Schubert) wegweisend wurde. Dem Sinnzusammenhang des Textes entsprechend, unterteilte er das Stück in mehrere deutlich voneinander getrennte Abschnitte, wobei er auf eine motivische Verklammerung der einzelnen Teile verzichtete. Typisch für die zeitgenössische Balladenkomposition sind zwei eingefügte, kurze Rezitative, die dem gesamten Werk den Charakter einer kleinen Opernszene geben.

Ob das Stück tatsächlich am 1. Januar 1803 aufgeführt worden ist, läßt sich heute nicht mehr feststellen. Sicher ist allerdings, daß die gedruckte Fassung einer der frühesten Steindruckarbeiten der damals noch jungen Druckerei von Franz Anton Niedermayr (1777–1849) ist, die seit 1801 bis heute in Regensburg ihren Sitz hat. In Zusammenarbeit mit der Stadt Regensburg ist derzeit eine Faksimileausgabe dieser sowohl drucktechnischen als auch lokalgeschichtlichen Rarität geplant.

Literatur:
• August Scharnagl: Art. Johann Franz Xaver Sterkel, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, hrsg. v. Friedrich Blume, Bd. 12, Kassel 1965, Sp. 1272–1276
• Sigfrid Färber: Bücher haben ihre Schicksale – auch in Regensburg. Zur Geschichte der Druckereien, Verlage und Buchhandlungen in Regensburg, in: Verhandlungen des historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg 122 (1982), S. 395–406
• Thomas Emmerig: Regensburger Verlagsbuchhandlungen als Musikverlage (1750–1850), Tutzing 2001 (Quellen und Abhandlungen zur Geschichte des Musikverlagswesens 1)

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